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Der Geschmack der Gewalt

Der Geschmack der Gewalt

Titel: Der Geschmack der Gewalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Bill
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Hielt Ausschau nach Anzeichen eines Eindringlings.
    Die Fliegentür ging quietschend auf und knallte zurück in den Rahmen. Liz legte ihm eine ihrer Elfenbeinhände auf die Schulter und sah auf die 45er in seinem Schoß. »Was zum Teufel hast du vor?«
    »Ich kann ein Holzfeuer riechen.«
    »Und?«
    »Es ist Sommer. Wozu zum Henker braucht jemand jetzt ein Holzfeuer?«
    »Keine Ahnung, vielleicht zum Kochen? Wen interessiert’s. Ich fahr rüber zur Tavern. Hol Zigaretten. Kipp ein paar Drinks. Willst du mitkommen?«
    »Und zusehen, wie du den glasigen Blick kriegst und nach herumstreunenden Schwänzen Ausschau hältst? Ich passe.«
    »Okay, ganz wie du willst.« Liz wandte sich zum Gehen.
    Angus rief: »Hey, und bring mir von der Schwanzjagd Zigaretten mit – Pall Mall.«
    Du bist so gut wie tot, dachte Liz. Sagte: »Sicher.« Und ging zu ihrem Kombi.
    Angus griff nach der Para Ordnance in seinem Schoß, sah hinaus auf den mit Unkraut überwucherten Hof vor der Scheune, hörte wie Liz’ Kombi ansprang. Sollte hier irgendwo noch jemand sein, dachte er, würde der ein Riesenloch in den Schädel bekommen und ein extratiefes Grab.
    *
    Er hockte in der feuchten Dunkelheit und drehte den Spieß immer weiter, um die muskulöse Kreatur zu bräunen, achtete penibel darauf, das rosafarbene Fleisch nirgends zu verbrennen. Der Spieß steckte komplett in einem provisorischen Ofen, einer Erdkuhle, die mit Kalksteinen ausgekleidet war. Nachts hielt er das Feuer mit Zedernholz oder würziger Fichte am Brennen, bekam so orangefarbene Kohle, die bei Tageslicht glühte, ohne Rauch zu erzeugen. Die Außenwelt sollte nichts von ihm mitkriegen.
    Vor ein paar Nächten hatte er den eigentümlichen Brandgeruch wahrgenommen, der aus dem Küchenfenster des Farmhauses gewirbelt war, und sich gefragt, was sie da zusammenbrauten, und war auf Erkundung gegangen, bevor er im Wald verschwand, geleitet von Mond und Sternen, um nach seinen Fallen zu sehen. Halb wahnsinnige Tiere, denen metallene Zähne in die Hinterläufe bissen, bis er ihnen einen Stiefel in den Nacken setzte, eine Klinge zur Hand nahm und ihnen damit die Kehlen durchtrennte.
    Das Fleisch bewahrte er in einem großen Holzfass auf, dass er neben der Wasserquelle in die Erde eingelassen hatte. Er hatte es von außen mit Steinen und Lehm abgedichtet, eine Holzkiste gebaut, die Ritzen mit roter Tonerde verschlossen und es auf die Öffnung des Fasses gestellt, um die Kälte drin zu halten. Das hatte er von seinem Vater gelernt.
    Kartoffeln und Möhren aus seinem versteckten Garten wurden in die Glut geschoben. Dann mit einer Blechschaufel wieder herausgeholt. Seit diesem einen Tag vor Jahren lebte er hier von dem, was das Land hergab, kannte nur die Farm, die Gegend, wo er Fallen aufstellte und jagen ging.
    Er hatte verfolgt, wie der hoch aufragende Mann die Scheune betrat. Derselbe Mann, den er vor ein paar Abenden beim Rauchen beobachtet hatte. Von Kopf bis Fuß gemustert, während er sich die Geräte und Tierfallen an der Wand angeschaut hatte. Zugesehen, wie er einen seiner langen, mit Schriftzeichen, Rankenund Schädeln dekorierten Arme hob und die Sichel von der Wand nahm, während die andere Hand den Griff einer Pistole berührte, die vorne in seinem Gürtel steckte. Der Anblick hatte ihn erschauern lassen.
    Er nahm den Spieß mit einem Handschuh aus Tierfell vom Feuer, pustete auf das Fleisch, um es abzukühlen, während er sich fragte, was der Mann und die Frau in dem alten Haus taten, was sie da nachts gekocht hatten, das so zum Gotterbarmen widerlich gerochen hatte. Er biss in das Fleisch, hoffte, sie würden bald wieder verschwinden. Oder er würde Chaos über die Farm bringen müssen, so wie sein Vater es vor Jahren getan hatte.

7
    Liz’ Arsch schwang von einer Seite zur anderen. Aus der Jukebox dröhnte John Prines Stimme: » But Your Flag Decal Won’t Get You Into Heaven Anymore. « Die blutunterlaufenen Blicke der zahnlückigen Männer brannten Löcher in ihre Jeans. Besonders der des Mannes, der alleine in einer dunklen Ecke der Leavenworth Tavern saß.
    Rauch und Schnaps wärmten ihren Körper. Gaben ihr das Gefühl, zu Hause zu sein, als sie sich auf einen abgenutzten Barhocker zwängte, ein Bündel Geldscheine aus der Hosentasche zog und Poes überraschten Blick erhaschte. »Ganze Weile nicht gesehen. Was soll’s sein?«, sagte er.
    Liz lächelte, ohne sich groß anzustrengen, spürte die auf sie gerichteten Blicke und war glücklich über den Abstand zu Angus.

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