Der Geschmack der Gewalt
hinreichender Verdacht. Sie haben Meth gekocht. Ich hab’s gerochen«, brüllte Whalen.
»Hier kommt mein hinreichender Verdacht«, polterte Moon. »Ich nehm Ihnen die Marke ab, bis weitere Untersuchungen angestellt worden sind. Sie werden sich in achtundvierzig Stunden in der Dienststelle der Sellersburg State Police zu einer Anhörung einfinden.«
Das war vor mehr als zwölf Stunden gewesen. Die Sonne hatteeinen neuen Tag anbrechen lassen. Drei Stunden Schlaf. Ein Becher Kaffee. Scheißen und duschen. Whalen zog ein schwarzes T-Shirt über, abgenutzte Levi’s. Band sich die Arbeitsstiefel. Griff nach seiner eigenen 9mm-Glock, da Sheriff Moon ihm die Dienstwaffe abgenommen hatte. Auf ihn geschissen. Er würde diese Bastarde finden. Wusste schon, wo er anfangen würde. Gehörte dazu, wenn man ein County Cop in einer kleinen Stadt war – Whalen wusste von jedem, wo er unterkroch. Er würde das auf die altmodische Art regeln.
*
Die Holzstämme hatten Moos angesetzt. Passten farblich zum Blechdach, Jägergrün. Ebenso grün floss der Blue River auf der anderen Seite der Straße. Ein Hauch von Fischgeruch zog Whalen in die Nase. Der Vorgarten war mit Bierdosen und Kiefernnadeln übersäht. Ein kleiner brauner Kühlschrank stand auf der Holzveranda gleich neben der Eingangstür der Hütte.
Whalen öffnete den Kühlschrank. Zog eine farblich passende Flasche heraus. Dieses Gebräu trug keinen Namen. Poes persönliche Marke. Whalen grinste. Steckte die Flasche in den abblätternden silbernen Öffner, der an der Hüttenwand angebracht war. Poppte sie auf. Trank gierig, beinahe auf ex. Von seinen Augen schälten sich vor Kälte Tränen ab. Er trat vor die Tür. Seine Faust traf auf das graue Holz. Wieder setzte er die Flasche an. Leerte sie. Lauschte den Schritten hinter der Tür. Dem Klicken von Schlössern. Dem Drehen des angelaufenen Türknaufs.
Poes Colonel-Sanders-Haut war faltig. Ein schlafverkrustetes Auge stand offen, das andere war geschlossen. Seine teigigen Lippen flatterten. »Ross?«
Whalen ließ die leere Flasche hinuntersausen. Auf Poes Stirn explodieren. Riss ihn aus dem Türrahmen auf die Veranda. Mit nackten Füßen über zerbrochenes Glas. Drehte ihm einen Armauf den Rücken. Presste ihn mit der Kehle gegen das Geländer. Trat seine nackten Beine, die in Boxershorts steckten, auseinander, machte ihn bewegungsunfähig.
»Ich werde dich das jetzt noch einmal fragen, Poe. Was weißt du über die Leute, mit denen Flat und Beatle zugange waren?«, sagte Whalen.
Poe kam sabbernd zur Besinnung, krümmte den Hals, versuchte, nach oben zu schauen. Blut krönte seinen Kopf und rann ihm hinunter in die Augen. Er öffnete die spröden Lippen, sagte: »Eine Frau. Heißt Liz. Und ihr Bruder, Angus. Sein Gesicht ist auf einer Seite komplett vernarbt. Lange Haare, trägt einen Zopf wie ein Indianer. Sein Körper ist über und über mit Namen und Ranken tätowiert. Liz’ Körper ist die reine Sünde, ihr Haar klumpig verfilzt. Sie ist mit Ned abgehauen.«
»Dieser Kürbisfratze, diesem faustschwingenden Pisser?«, brüllte Whalen.
»Ganz genau, Ned«, sagte Poe. »Liz kam letztens rein. Hat mit ihm rumgemacht. Einen Deal mit ihm abgeschlossen. Angus töten, sich sein Crank teilen. Runter zum Donnybrook. Angus ist auch dahin unterwegs, will Blut sehen.«
Whalen wiederholte, verwirrt: »Will Blut sehen? Angus?«
»Er ist nicht tot. Ist nicht der Typ fürs Sterben. Ist am Leben und richtig angepisst. Kam die Tage in die Bar und hat nach Ned und Liz gefragt.«
Whalen zitterte vor Wut. »Ja, leck mich doch, Hurensohn!« Er ließ Poe los. »Hab dich immer gemocht. Du Flussratte, dreckiger Tresenknecht! Aber da hast du mir eine schöne Scheiße eingebrockt. Mein Abzeichen aufs Spiel gesetzt.«
Poe rieb sich den Kopf. »Wieso musstest du mir die verdammte Flasche über den Schädel ziehen?«, stieß er hervor.
»Weil ich Antworten brauchte! Die hab ich letztes Mal ja nicht gekriegt!«, sagte Whalen.
*
Während er die Landstraßen von Orange County entlangsteuerte, rief Fu Mr. Zhong an, wobei das Funksignal immer schwächer wurde. Angus saß auf dem Beifahrersitz, die Hände mit Kabelbindern hinter dem Rücken fixiert, und gab, wenn nötig, per Kopfnicken Anweisungen.
Mr. Zhong fragte Fu, ob er den Mann und die Frau bereits gefunden habe. Fu sagte, er habe den Mann gefunden.
Mr. Zhong wollte wissen, was mit dem Geld sei. Fu sagte ihm, das Geld habe er noch nicht, aber er und der Mann würden das Mädchen
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