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Der Geschmack der Gewalt

Der Geschmack der Gewalt

Titel: Der Geschmack der Gewalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Bill
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Kehle. »Hoffe, du durchschaust die Bewegungen der Kämpfer besser als meine, denn sonst wirst du nichts zu teilen haben, außer deinen Eingeweiden.«
    »Fotze«, schäumte Ned.
    Liz spürte die Blicke der Zuschauer um sie herum, als sie ihm den Lauf noch fester gegen die Kehle drückte. »Ich hab keine Lust mehr, mit dir zu reden. War nett. Jetzt ist Schluss mit nett. Versuch zu tun, weswegen du hier bist. Ich werde dasselbe tun. Wir sehen uns in den Ställen.«
    Sie nahm ihm die Waffe von der Kehle. Beobachtete ihn genau. Entfernte sich sehr langsam. Er rieb sich die Delle, die sie hinterlassen hatte, und sagte: »Pass bloß auf, Schlampe. Denn ich behalt dich im Auge.« Dann zog er seinen Daumen quer über den Hals wie ein Rasiermesser. Spuckte aus. Drehte sich um, sein Plastikband mit der Nummer in der Hand. Ging hinüber zu den Kämpfern, die sich um die große graue Bühne scharten.
    »Vergiss diesen Ned. Er ist ein hinterhältiger Wichser«, sagte eine weibliche Stimme hinter Liz.
    Liz drehte sich um, sah eine verblühte Blondine, deren fransige Strähnen ihr gerade mal bis zum Kinn reichten. Sie saß vor einem Zelt, zog an einer Zigarette, zu ihren Füßen schwitzte eine Dose Budweiser. Neben dem Zelt stand ein völlig verrosteter grün-weißer International Scout. Ihre Lippen waren fahl wie Chlorbleiche. Die Augen milchig trüb. Sie trug ein Lucero-Tour-Shirt. Eine abgeschnittene Wüstentarnhose. Braune, total kaputte Arbeitsstiefel. Streckte eine Hand aus. »Ich heiße Scar.«
    Liz ging auf sie zu. Ranzte sie an: »Pass mal auf, Leckschwester. Wenn ich mich mit einem hinterhältigen Faustkämpfer abgeben will, ist das meine Sache.«
    Scar kippte ihr Bud, lächelte, sah nicht, wie der Griff von Angus’ Revolver auf ihre Nasenwurzel herabsauste. Das Budweiser platzte am Boden auf. Scar schossen Tränen in die Augen. Sie bedeckte ihre Nase mit den Händen. »Schlampe!«, stieß sie hervor.
    »Hat ne Lesbe eh nicht zu interessieren«, beendete Liz die Konversation.
    *
    Unfähig zu entscheiden, ob Purcell ein Hühnerstall-Eremit war, völlig plemplem oder ein echter Prophet wie Da Mo, der Begründer des Sehnen und Muskulatur umwandelnden Qi Gong der Shaolin, lenkte Jarhead sich ab, indem er den ersten zwanzig Männern dabei zusah, wie sie Knöchel, Knie und Ellbogen hin und her fliegen ließen. Gegenseitig auf ihre Knochen eindroschen. Sich Wunden und blaue Flecken verpassten. Egal, wie verrückt Purcell sein mochte, hierhergebracht hatte er ihn zumindest.
    Er hatte Prediger mit Koffern gesehen, in denen Klapperschlangen lebten, die sie im Gottesdienst hervorholten, während Männer, Frauen und Kinder sangen und tanzten. Ihre Augen sich nach hinten in die Schädel verdrehten und das Weiße zum Vorschein brachten. Wie dann eine Schlange herumgereicht wurde, um zu sehen, ob sie zubeißen würde. Zauberer, so hatte sein Stiefvater sie genannt. Opfer ihrer eigenen Apokalypse.
    Purcell hatte ihm einen Rucksack für seine Kleidung und den Revolver gegeben. Ihm gesagt, die Waffe und die Schachtel mit Munition unter der Kleidung versteckt zu halten. Dass er sie brauchen würde. Wofür, da war Purcell sich noch nicht sicher.
    Er hatte Jarhead außerdem gesagt, er würde bei ihm bleiben, um ihn zu führen.
    Purcell musterte nach wie vor die Horden von Hinterwäldler-Sonderlingen. »Nach wem suchst du?«, fragte Jarhead.
    Purcell lächelte. »Er ist noch nicht hier, aber die anderen schon. Die Dinge kommen gerade erst ins Rollen.«
    »Wer ist noch nicht hier? Welche Dinge?«
    Purcell grinste. »Schau einfach zu«, sagte er. »Du wirst schon sehen.«
    *
    Blut befleckte Whalens Hände wie Holzfarbe. Getrocknet und kryptisch hob es die Linien seiner Haut hervor. Während er denJeep über die Nebenstraße lenkte, dachte er daran zurück, wie er sich Gravel über die Schulter geworfen hatte. Ihn in ein kleines Wachholder-Dickicht hinter der Scheune geschleppt. Eine Schaufel aus dem Milchschuppen geholt. Sich durch Kalkstein und roten Lehm hindurchgegraben. Gravel inmitten seiner Sippe beerdigt hatte.
    Fünf Jahre lang hatte Whalen nach Gravel gesehen. Zugelassen, dass er sich vom Land ernährte und in einer Höhle lebte, die man von der Scheune aus über einen Tunnel erreichte. Gravel hatte einen Garten bewirtschaftet. Laugenseife hergestellt. Gejagt. Die Beute in einem provisorischen Kühlschrank in der Erde gelagert. Wasser aus dem Rinnsal gekocht, das über den Boden der Höhle floss. Wie ein Einsiedler gelebt. Genau wie

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