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Der Geschmack der Gewalt

Der Geschmack der Gewalt

Titel: Der Geschmack der Gewalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Bill
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platziert wurden, statt aus der Hüfte. Sie kämpfen wie halbverhungerte Schweine, die sich im Schlamm suhlen, dachte er. Schnauben und schnappen keuchend nach Luft.
    Jarhead ballte die linke Faust für Caleb. Dann die rechte für Zeek. Ließ die Knöchel weiß werden. Er würde gewinnen, sagte er sich. Seinen Jungs ein besseres Leben ermöglichen. Tammy die Hilfe besorgen, die sie brauchte. Ihren Rücken in Ordnung bringen. Ihre Oxycodon-Abhängigkeit beenden. Aber würde er mit dem Kämpfen aufhören? Die eine Sache sein lassen, für die er eine Gabe besaß?
    Von hinten streifte ihn eine Schulter. Er drehte sich um und sah eine Frau mit zerrupften Haaren, die sich jedes ihrer Schritte bewusst zu sein schien. In der Hand eine Bierflasche, die sie wie ein Messer hielt. Sie kämpfte sich durch die Menge von Drogenabhängigen.
    »Du kannst es nicht sein lassen«, sagte Purcell neben ihm.
    »Was kann ich nicht sein lassen?«
    »Was du dir gerade da oben überlegt hast«, sagte Purcell. Er tippte sich mit dem Zeigefinder an die Schläfe. Schaute zum Ring. »Was meinst du, irgendjemand, den man ernst nehmen muss?«
    Im Ring gingen drei Männer zu Boden wie vom Baum geschossene Eichhörnchen. Kein Abfedern, bloß Muskeln und Knochen, die kollabierten und zum Stillstand kamen.
    Während er den Kopf wieder der Frau zuwandte, fragte sich Jarhead, wie viel Purcell wohl über seine Zukunft wusste. Er sah zu, wie sie nach Beute Ausschau hielt. Sein Herzschlag beschleunigte sich. »Beinarbeit und Schlagtechnik sind unausgewogen, unsicher«, sagte er. »Das meiste sind bestenfalls Schlägertypen.«
    Purcell drehte den Kopf in die Richtung, in die Jarhead schaute. »Warum zum Teufel, glotzt du bloß die ganze Zeit der Frau hinterher?«
    Adrenalin setzte Jarheads Körper unter Spannung. »Weil sie weiß, wie man läuft.«
    *
    Liz lief zwischen Typen mit Schnapsfahnen hindurch, die schweißglänzend und aufgekratzt den ersten zwanzig Männern beim Kämpfen zusahen. Sie bot ihre Göttlichkeit in transparenten Plastiktütchen zu einem Preis zwischen hundertfünfundzwanzig und hundertfünfzig pro Dosis an. Bot es denjenigen mit fehlenden Zähnen und dehydrierten Körpern zuerst an, weil sie wusste, wie sehr sie darauf brannten.
    Scar beobachtete sie aus kurzer Entfernung. Tupfte sich die lädierte Tomaten-Nase. »Bald wird hier jemand Blut spucken und pissen«, murmelte sie inmitten des sittenlosen Treibens johlender und brüllender Männer und Frauen vor sich hin.
    Sie sagte es sich immer wieder vor wie ein Schlaflied.
    Liz bahnte sich den Weg durch salzig riechende Körper und blieb vor dem knapp zehn mal zehn Meter großen viereckigen Ring stehen. Neds Nummer war gezogen worden. Im Ring verhöhnten er und weitere neunzehn Männer sich gegenseitig und täuschten Kopfstöße und Schläge an, um einander dann tatsächlich mit Fäusten, Ellbogen, Fußspitzen, Absätzen, Handflächen, Knien und Köpfen zu Brei zu verarbeiten. Blut spritzte aus dem Ring ins kreischende Publikum.
    Die Sonne biss auf Ned ein. Sie hatte bereits dafür gesorgt, dass sein Körper und die der anderen seifig geworden waren, Schläge an ihnen abglitten und Handflächen abrutschten. Das lose Geröll, auf dem sie kämpften, nahm ihnen den festen Stand, brachte sie permanent aus dem Gleichgewicht.
    Liz schaute zu, wie Käse-Mike den Ballen des rechten Fußes aufsetzte und Ned einen Aufwärtshaken in den Magen grub. Abrollte und ihm einen rechten Haken in die Rippen verpasste. Ned hustete. Ließ seine Stirn in Mikes Gesicht krachen. Knochen knackten. Die Unterlippe verfärbte sich rot. Ned pumpte drei schnelle Geraden aus der Führhand. Die erste an Mikes Kiefer. Dann an Kehle und Schulter. Mike wich zurück. Versuchte, zur Besinnung zu kommen. Ned schickte einen Ellbogen hinterher. Teilte die weiche Haut über Mikes rechtem Auge.
    Von den zuschauenden Männern und Frauen kamen Pfiffe und kurze Schreie.
    »Mach den Hurensohn fertig, Ned!«, schrie jemand. »Komm schon, Mike! Kill die linke Bazille!«, ein anderer.
    Liz grub einen Finger in das Tütchen mit feuchtem Pulver, das sie für sich selbst abgezweigt hatte. Inhalierte saugend. Schmeckte den chemischen Abfluss in ihrer Kehle. Verrieb sich die übriggebliebenen Körnchen auf dem Zahnfleisch. Wandte sich einem Mann in einem sauberen weißen T-Shirt zu, das in Jeans steckte. Kurze Haare. Kaffeebohnenbraun mit grauen Flecken. Seitenscheitel. Struppiges Gesicht. An beiden Armen Hemdsärmel aus tätowierten roten,

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