Der Geschmack von Apfelkernen
gelangt wären.
Wie kam es überhaupt, dass hier diese schüttere Reihe Petersilie wuchs? Die war doch
gesät. Das galt auch für die struppigen Erbsen- und Bohnenranken, die gerade weiß
und rosa und orange blühten. Hier stand eine schiefe Reihe Porree. Am Boden,
zwischen Quecke und Kamille, krochen haarige Gurkenpflanzen und versuchten, mit
ihren grauen Blättern das Unkraut beiseitezuschieben oder wenigstens mit Mehltau
anzustecken.
Zitronenmelisse hatte zusammen mit Minze die Vorherrschaft
in den Beeten übernommen und wucherte zwischen den weißen Johannisbeeren, den
kränkelnden Stachelbeerbüschen und den Brombeerranken, die über den Zaun in das
angrenzende Wäldchen ausgebrochen waren. Herr Lexow musste versucht haben, Berthas
Küchengarten zu erhalten, aber er hatte nicht deren Gabe, jeder Pflanze ihren Ort
zuzuweisen und mit sanftem Nachdruck das Beste aus ihr herauszuholen.
Ich durchschritt den Küchengarten, um nach Berthas alten Stauden zu
sehen, die das Gedächtnis meiner Großmutter ehrten oder dem Zerfall desselben
trotzten. Es kam auf dasselbe heraus. Das wogende Dickicht aus Phlox duftete zart.
Rittersporn streckte blaue Lanzen in den Abendhimmel. Lupinen und Ringelblumen
leuchteten über dem Boden, Glockenblumen nickten mir zu. Die dicken Herzblätter der
Funkien ließen kaum einen Blick auf die Erde frei, dahinter schäumten Hortensien,
eine ganze Hecke voll, blaurosa, rosablau aus dem Blattwerk. Dunkelgelbe und
rosarote Schirme aus Schafgarbe neigten sich über die Wege, und als ich sie
zurückbog, rochen meine Hände nach Kräutern und Sommerferien.
Zwischen Johannisbeeren und Brombeergestrüpp lag der
wildere Teil des Gartens. Doch er hatte sich schon ganz in seine Schatten
zurückgezogen. Hinter dem Garten begann das Kiefernwäldchen. Der Boden hier war
rostrot und bestand nur aus herabgefallenen Nadeln. Jeder Schritt federte lange und
lautlos nach, und man ging dort wie verzaubert, bis man an der anderen Seite auf die
große Obstbaumwiese hinaustrat. Früher hatten Rosmarie, Mira und ich alte
Tüllgardinen zwischen die Bäume gehängt und uns Feenhäuser gebaut, in denen wir dann
lange und komplizierte Liebesdramen spielten. Zuerst waren es nur Geschichten von
drei Prinzessinnen, die von einem ungetreuen Kämmerer entführt und verkauft worden
waren, nach jahrelangem Frondienst ihren grausamen Pflegeeltern zu entkommen
vermochten, nun im Wald wohnten und dort durch einen glücklichen Zufall ihre
richtigen Eltern wieder trafen. Danach gingen die Prinzessinnen zurück und
bestraftenalle, die ihnen je Unrecht getan hatten. Rosmarie
übernahm den »Ausbruch«, ich das »Wiedersehen«, Mira die »Rache«.
Ich ging zu der Pforte des Gartens, die in das Wäldchen
führte, und spähte ins Dunkelgrün. Schon schlug es mir harzig und kühl entgegen. Ich
fror, fasste meine Schere fester und ging zurück zur Petersilie. Kaum hatte ich ein
großes Büschel abgeschnitten, roch es sofort nach Erde und Küche, obwohl die krausen
Blätter schon ziemlich gelb waren. Sollte ich noch Liebstöckel abschneiden? Besser
nicht. Ich dachte an den Nachmittag mit Rosmarie und Mira im Garten. Das war das
letzte Mal, dass ich mit Mira gesprochen hatte.
Ich stand auf, lief durch das Scheunentor, der Lehmboden
war eisig, schob hinter mir die Riegel vor und hob die Eisenstäbe auf ihre Haken,
rannte die Stufen zur Küche hoch und wurde fast schwindelig vom Duft der
Gemüsesuppe, der sich dort breitgemacht hatte. Das Büschel Petersilie legte ich
neben den dampfenden Topf. Herr Lexow bedankte sich und schaute kurz hoch. Ich war
lange fortgeblieben für so einen kleinen Auftrag.
- Gleich fertig. Ich habe hier in der Küche gedeckt.
Und richtig, auf dem Küchentisch stand ein weißer
Suppenteller und daneben lag ein großer Silberlöffel.
- Aber Sie müssen doch auch etwas davon essen! Bitte, Herr
Lexow.
- Na gut, liebe Iris, sehr gerne.
Wir setzten uns an den Tisch, die Suppe stand im Kochtopf
vor uns, die Petersilie klein gehackt auf einem Holzbrett daneben. Wir aßen die
herrliche Suppe, in der dicke Karottenstücke und Kartoffelwürfel, Erbsen, klein
geschnittene grüne Bohnen und eine große Mengedurchsichtiger
Porreeringe schwammen. Dann ging ein Ruck durch Herrn Lexow. Er wollte etwas sagen,
doch ich bemerkte es erst, als ich selber meinen Kopf hob, um etwas zu sagen.
- HerrLexowliebeIris, begannen wir
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