Der Geschmack von Apfelkernen
passten mir gut. Denn am Ende wollte ich es doch nicht so genau wissen.
Mit langen Zügen schwamm ich durch den See. Kleine Luftblasen kitzelten mich am Bauch. Nackt zu schwimmen fühlte sich schön an, am ganzen Körper kam es dabei zu allerlei Verwirbelungen und Unruhen.Denn stromlinienförmiger wurde man ohne Badeanzug nicht gerade. Wenigstens besaß ich inzwischen einen Körper, den ich auch als den meinen betrachtete. Lange genug hatte es ja gedauert. Das Verschlingen von Büchern auf Brot hatte meinen Geist leicht und meinen Körper träge gemacht. Da ich mich damals selbst nicht sehen mochte, spiegelte ich mich in den Geschichten. Essen, lesen, lesen, essen: Als ich später aufhörte zu lesen, da hörte ich auch auf zu fressen. Ich erinnerte mich wieder meines Körpers. Nun hatte ich einen. Etwas verwahrlost vielleicht, aber er war da, und er überraschte mich in seiner Vielfalt an Formen, Linien und Oberflächen. Die Gemeinschaftsumkleidekabine des Hallenbads verlor ihren Schrecken, und da wusste ich, ich war ein Fall für die Dameneinzelkabine.
Fall, fällig, fällen, fallen, Rosmarie zum Gedenken. Ihr Körper zerfiel, noch bevor er ganz beisammen war. Alle Mädchen waren doch besessen von ihren Körpern, weil sie noch keine Körper besaßen. Sie waren wie Libellen, die jahrelang unter Wasser lebten und fraßen und fraßen. Hin und wieder legten sie sich eine neue Haut zu und fraßen weiter. Dann wurden sie Nymphen. Die Nymphen kletterten an einem langen Halm aus dem Wasser, bekamen einen Körper und flogen davon. Es hätte ja auch klappen können. Als Harriet in Rosmaries Alter war, konnte sie schon fliegen.
Kurz vor dem anderen Ufer drehte ich mich um und schwamm zurück. Der Nebel hatte sich inzwischen fast aufgelöst, es dampfte nur noch eine kleine Schicht ganz nah über dem Wasserspiegel. Gerade schon wollte ich mit dem Fuß nach dem Boden tasten, da sah ich Max. Er legte sein Rad neben meines, schaute aber nicht zumir, sondern zog sich schnell Hemd und Shorts aus und rannte ins Wasser, dass es spritzte. Er tauchte und fing sofort an zu kraulen. Doch als er fast schon an mir vorbei war, hielt er plötzlich inne, drehte sich zu mir um und hob die Hand.
- Hey, Iris.
- Guten Morgen.
Er kam näher. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Er offenbar auch nicht. Wir standen uns gegenüber und vermieden es, uns anzusehen. Ich hatte das Wasser wie eine Decke bis zum Kinn gezogen, schaute auf seine Schultern und beobachtete, wie die Wassertropfen von ihnen herabrannen. Wohin er sah, so dicht vor mir, konnte ich zwar nicht sehen, aber fühlen. Schnell verschränkte ich die Hände vor der Brust. Da blickte er mich schließlich an.
Langsam holte er die Hand aus dem Wasser und zog mit dem Zeigefinger die Linie meiner Schlüsselbeine nach. Max ließ den Arm wieder sinken. Er stand ganz nah, ich drückte meine Arme fester an mich. Er beugte sich vor und küsste mich auf den Mund. Warm fühlte er sich an und weich und gut. Ich musste nach seinen Schultern gegriffen haben. Schwindelig war mir. Max zog mich an sich. Als meine Brüste seinen Oberkörper berührten, fühlte ich, wie er seinen Körper anspannte. Was ich selbst daraufhin alles so tat, konnte ich nicht mehr mit Bestimmtheit sagen und auch nicht, wie lange ich es tat. Bald jedoch landeten wir auf dem schmalen Sandstreifen des Ufers. Ich spürte die Kühle des Wassers auf seinem Körper unter mir, seinen Schwanz in der nassen Badehose, seine Lippen auf meinem Hals. Als ich ihm dabei half, die Badehose auszuziehen, hielt er mich plötzlich an den Händen fest:
- Ich habe mit Klientinnen keinen Sex im Freien.
- Ach nein? Merkst du nicht, dass du gerade dabei bist, mit einer Klientin Sex im Freien zu haben?
- O Gott. Ich habe mit Klientinnen keinen Sex. Punkt. Weder im Freien noch sonst wo.
- Bist du sicher?
- Nein. Ja! Nein. Iris, was machst du mit mir?
- Sex im Freien?
- Iris. Du machst mich irre. Mit deinem Geruch und deinem Gang und deinem Mund und deinem Gerede.
- Mit meinem was?
Ich rollte mich auf den Sand. Max hatte wahrscheinlich recht. Es war eine dumme Idee, er war Miras kleiner Bruder. Er war außerdem mein Anwalt und der Anwalt meiner Tanten, wir mussten noch darüber sprechen, was mit dem Haus geschehen würde, wenn ich es nicht nähme. Was wir da jetzt taten, würde alles unnötig verkomplizieren. Die Beziehung zu seiner Schwester und Rosmarie war auch kompliziert gewesen. Wie kompliziert, das wusste er gar nicht. Ich legte mir
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