Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Geschmack von Glück (German Edition)

Der Geschmack von Glück (German Edition)

Titel: Der Geschmack von Glück (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer E. Smith
Vom Netzwerk:
dann den Becher zu einer Art Abschiedsgruß. Als er sich umdrehte, trafen ihn die blendenden Blitze der Kameras am Fenster, und er schloss kurz die Augen. Doch die Lichter verschwanden nicht, er sah nur noch Sterne.

  
----
Von:            [email protected]
Gesendet:   Sonntag, 9. Juni 2013 11:11
An:              [email protected]
Betreff:       Re: meine Vorstellung von Glück
Der Wechsel der Jahreszeiten.

drei
    Wenn Ellie ins Souvenirgeschäft Happy Thoughts trat, kam es ihr immer ein bisschen so vor, als sähe sie direkt ins Gehirn ihrer Mutter. Nichts sah irgendwie geordnet aus, der Laden schien keinem bestimmten Konzept zu folgen. Als Mom ihn vor acht Jahren gekauft hatte, wurden dort vor allem Möbel und Wohnaccessoires angeboten, in eleganten Arrangements waren Kerzen und Servietten und alle möglichen Vasen ausgestellt. Die vorherige Besitzerin verlebte ihren Ruhestand inzwischen fröhlich in Florida, schon vorher war sie im Winter stets aus Maine geflohen; doch Ellie war sicher, könnte sie sehen, was aus dem Geschäft geworden war, wäre sie entsetzt.
    Es gab einfach keinen Plan, kein Konzept. Der ganze Laden war kaum größer als ein geräumiges Klassenzimmer, aber so vollgestopft, dass er eher kleiner wirkte. Sie hatten immer noch Tischsets und Pfeffermühlen, Lampen und Decken und verschiedene Einrichtungsgegenstände im Angebot, dazu aber auch Bücher und altmodisches Spielzeug und Dosen mit Salzwasser-Toffee, alle möglichen Arten von Postkarten, T-Shirts und Badeanzüge, Strandspiele und Brettspiele.
    Und natürlich Hummer. Keine echten – obwohl Ellie sich nicht gewundert hätte, wenn sie in dem ganzen Durcheinander auch noch auf ein Aquarium gestoßen wäre –, sondern Hummertassen und Hummerteekannen, Schlüsselanhänger und Lesezeichen und Windspiele in Hummerform … ganz hinten im Laden saß sogar seit Jahren ein riesiger Plüschhummer, so groß wie ein Menschenaffe, der mit seinen schwarzen Glasaugen und übergroßen Scheren so manches Kleinkind erschreckt hatte, das ein bisschen zu schnell um die Ecke gebogen war.
    Quinn wollte das Geschäft unbedingt um- und aufräumen, aber Ellie mochte das Chaos. Sie war im Grunde in diesem Laden aufgewachsen und betrachtete ihn als eine Art Anbau ihres Hauses, einen Wandschrank voller Gerümpel oder einen Keller voller Schätze. Mom hoffte schon seit Jahren auf eine Erweiterung und blieb jeden Morgen eine Weile vor den staubigen Schaufenstern nebenan stehen – früher war dort ein Immobilienmakler gewesen, aber jetzt stand es schon ewig leer. Doch es war nie genug Geld da. Im Augenblick reichte es kaum, das Wohnhaus vor dem Zerfall zu bewahren. Also wurde das Durcheinander im Laden immer größer. Doch den Kunden schien es nichts auszumachen und Ellie genauso wenig.
    Sie hatte zahllose Nachmittage dort verbracht, ihre Hausaufgaben mit Hummerbleistiften erledigt und auf der alten Kapitänskiste balanciert, bis Mom abends das Geschäft zuschloss, sie hatte am Fenster gesessen und gelauscht, wie sich die Wellen ein Stück weiter unten an den Felsen brachen. Ihr Lieblingsplatz war die Sammlung von Bilderrahmen auf den Regalbrettern in der hintersten Ecke des Ladens. Es gab Rahmen in allen vorstellbaren Größen, Farben und Formen, manche silbern, manche aus Holz, manche aus glatt geschliffenen Glasstückchen zusammengeklebt oder mit zarten Mustern am Rand. Und in jedem einzelnen Rahmen hing anstelle eines Hochglanzfotos ein Gedicht.
    An einem Wintertag vor vielen Jahren, als der Schnee hoch vor das Fenster geweht war und der Laden still und leer war, hatte Mom Ellie allein dort gelassen, um irgendwo heiße Schokolade aufzutreiben. Als sie weg war, betrachtete Ellie die gerahmten Fotos, Schwarz-Weiß-Bilder glücklicher Familien, die grinsend die Zähne zeigten. Es gab Paare, die einander verträumt in die Augen schauten, Eltern, die mit ihren Kindern Händchen hielten, Familien beim Picknick, bei Bootsfahrten, bei Waldspaziergängen. Als sie den Blick über sämtliche Bilder schweifen ließ, stellte sie fest, dass es genau vier Fotos von Vätern gab, die ihre Töchter auf den Schultern trugen, aber kein einziges von Müttern und ihren Töchtern.
    In dem Winter war sie acht gewesen, alt genug, um zu begreifen, dass sie nie wieder nach Washington zurückkehren würden, aber noch zu jung, um das Gesicht ihres Vaters wirklich in Erinnerung zu behalten, es tauchte unvermittelt auf und verschwand dann wieder. Als

Weitere Kostenlose Bücher