Der Geschmack von Glück (German Edition)
Graben zwischen den beiden natürlich noch vertiefte.
Aber mit Graham war es viel schlimmer. Bei Quinn brauchte es zwar Zeit, aber Ellie wusste, irgendwann würden sie wieder zueinanderfinden. Es war nicht ihr erster Streit, und es würde auch nicht der letzte bleiben.
Doch bei Graham fürchtete Ellie, etwas zerbrochen zu haben, was sich nicht reparieren ließ. An dem Abend, als er zu ihr gekommen war, hatte sie auf der obersten Treppenstufe gekauert, den Stimmen vor der Haustür gelauscht und sich den Mut gewünscht, nach unten zu gehen und ihrer Mutter zu sagen, sie solle ihn hereinlassen, weil alles andere keine Rolle spielte: weder ihre Vergangenheit noch ihre Geheimnisse und erst recht nicht ihr Vater.
Doch sie hatte eine Entscheidung getroffen. Sie hatte sich am Hafen von ihm abgewandt, und jetzt war sie zu einem verzweifelten Versteckspiel verurteilt, schlich durch den Ort und versuchte ihm keinesfalls zu begegnen.
Denn ehrlich gesagt glaubte sie nicht, dass sie es noch ein zweites Mal schaffen würde, ihm den Rücken zuzukehren.
Darum stand Ellie also heute wie jeden Tag an der Ladentür von Happy Thoughts und schaute nach links und nach rechts, bevor sie hinaustrat. Erst vor drei Wochen hatten sie genug Geld zusammengekratzt, um die Klimaanlage zu Hause reparieren zu lassen, und jetzt, am heißesten Tag des Sommers, hatte sich die im Laden auch noch mit einem Seufzer verabschiedet. Nachdem sie sich den ganzen Vormittag abwechselnd Luft zugefächelt und auf den rostigen Metallkasten gehauen hatten, schickte Mom Ellie schließlich los, Eistee zu besorgen.
Auf dem Grün hatte jemand einen Rasensprenger aufgestellt, und ein paar Kinder in zu großen Badehosen rannten durch den Wasserstrahl. Fast alle warteten heute drinnen darauf, dass die brütende Hitze nachließ. Trotzdem suchte Ellie den Platz und die Läden gegenüber mit dem scheuen Blick eines Verbrechers auf der Flucht ab.
Henleys einziger »Deli« war im letzten Jahr an die Stelle einer örtlichen Institution getreten: Seit Menschengedenken hatte dort ein kleiner Gemischtwarenladen namens Marv’s gestanden. Als kleine Verbeugung vor dieser Tradition hieß der Imbiss jetzt The Sandwich Shop Where Marv’s Once Was , was jedoch alle weiter zu Marv’s abkürzten. Beim Eintreten seufzte Ellie erleichtert auf, denn die kühle Luft nahm den Hitzemantel von ihren Schultern. Ihre Wangen waren immer noch rot erhitzt, ihr Tanktop klebte ihr immer noch am Leib, aber sie fühlte sich gleich besser. Als käme sie in einen Kühlschrank.
An der Theke stand eine Schlange, weshalb sie gern unter der Lüftung an der Tür stehen blieb. Auf einem kleinen Tisch unter dem Fenster lagen Tageszeitungen, sie nahm sich das Lokalblatt und blätterte darin herum.
»Was kann ich für dich tun, Mädchen?«, fragte Meg, die Besitzerin, die mit Notizblock und Stift ans Ende der Theke gekommen war.
»Schon okay«, sagte Ellie und wedelte mit einem Teil der Zeitung. Das ungeschriebene Gesetz hier lautete, dass Einheimische zuerst bedient wurden, aber sie hatte keine Eile, in den Backofen Happy Thoughts zurückzukehren. »Ich kann warten.«
Meg zuckte die Achseln. »Dir ist aber heiß, das sieht man. Kann ich dir wenigstens eine Limonade bringen oder Eistee?«
»Genau deshalb bin ich eigentlich hier«, gab Ellie zu. »Ich nehme zwei Eistee.«
Meg salutierte scherzhaft und ging zurück nach hinten, während Ellie sich wieder der Zeitung zuwandte. Sie hatte zufällig die Immobilienseite erwischt und überflog einen Artikel darüber, dass die bröckelnde Küste auf einer der Inseln vor dem Festland die Preise der riesigen Anwesen dort verfallen ließ, als sie in einer schmalen Spalte weiter unten einen bekannten Namen entdeckte:
Vor seinem hart erarbeiteten Urlaub am kommenden Feiertagswochenende bekannte Senator Paul T. Whitman vor Journalisten, dass er die Arbeit ein paar Tage hinter sich lassen will.
»Wir feiern Amerikas Geburtstag«, sagte er. »Ich weiß keinen besseren Grund, mal Pause zu machen und mit der Familie zu entspannen.«
Der Hoffnungsträger seiner Partei wird vier Tage im malerischen Kennebunkport in Maine verbringen, berühmt als Sommerresidenz des früheren Präsidenten George H. W. Bush.
Möchte Whitman, Senator aus Delaware, also in die Fußstapfen des älteren Bush treten?
»Das werden wir sehen«, lachte er. »Aber dieses Wochenende gibt es keine Politik. Ich will nichts weiter als mit meinen Jungs mit dem Boot rausfahren, ein paar Fische fangen
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