Der Geschmack von Glück (German Edition)
Tempo so weit, dass sie ein anderes Boot heranwinken und ihre Frage übers Blau rufen konnten. Manchmal wurde eine Antwort zurückgeworfen – Höchstens noch eine halbe Stunde, wahrscheinlich oder Noch vier Orte, auf keinen Fall mehr –, aber manchmal kamen auch nur ratlose Blicke oder Schulterzucken.
Ellie versuchte die periodisch aufsteigende Anspannung zu dämpfen. Wie gern wäre sie wieder in Henley und tränke rosa Limonade aus Sternenbanner-Plastikbechern. Aber wenn sie das hier hinter sich bringen wollte – und das musste sie, nicht nur des Geldes wegen, sondern auch wegen all des jahrelang Ungesagten –, dann jetzt.
Hinter sich hörte sie ein Klopfen: Graham hatte nur eine Hand am Steuer und schaute verstört auf die kleinen Anzeigen im Armaturenbrett; jetzt tippte er auf eine davon mit dem Finger. Unter ihren Füßen, tief im Bootsinneren, hörte Ellie irgendetwas widerstrebend ächzen, während ihre Fahrt langsamer wurde.
»Was ist denn los?«, fragte sie und ging zu ihm. Sie schob den Gashebel nach vorn, doch es gab nicht den erwarteten Beschleunigungsruck, sondern ein leises Stottern, ein alarmierendes Rattern, und dann setzte der Motor ganz aus, und die Nadel, die Graham so angestrengt beobachtet hatte – die Tankanzeige, wie Ellie erst jetzt erkannte –, fiel mit steifer Endgültigkeit aufs rote E .
Graham war ebenso überrascht wie sie, und einen kurzen Augenblick lang saß Ellie ein Kloß im Hals. Ihre Augen brannten vom Salzwasser, und ihre Haut war vom einsetzenden Sonnenbrand so heiß, dass sie erschauerte. Da trieben sie also vor der Küste, in einem gestohlenen Boot, ohne einen Tropfen Benzin. Hinter ihnen warteten Reporter, Fotografen und Konsequenzen auf sie; Ellies Mutter, Grahams Manager und die grässliche Erinnerung an gestern Abend. Was vor ihnen lag, war kaum besser, und jetzt steckten sie irgendwo dazwischen fest, und Tränen der Hilflosigkeit stiegen ihr in die Augen.
Graham hielt sich ganz still neben ihr, wie ein Hirsch im Fadenkreuz, als wolle er erst ihre Reaktion abwarten. Als sie sich genug gefasst hatte, um ihm wieder in die Augen zu schauen, musste sie erstaunt feststellen, dass er sich das Lachen verbiss.
»Das ist nicht witzig«, sagte sie. Er versuchte, eine neutrale Miene aufzusetzen, doch unwillkürlich entfuhr ihm ein Lachen. Jetzt sah er wirklich aus wie ein Filmstar, mit seinen Augen, so blau wie das Meer um sie herum, und der Sonne hinter seinem Kopf, die ihn so verschwommen wirken ließ wie die ganze Szenerie. Plötzlich hatte sie den Impuls, sich auf Zehenspitzen zu stellen und ihn zu küssen, und ihre Panik löste sich unter seinem Blick auf. Gab es einen besseren Vorwand, schien er zu sagen, um stundenlang hier draußen zu bleiben, nur sie beide, ein Spielball der Gezeiten?
»Ein bisschen witzig vielleicht«, gab sie zu, doch als er gerade den Kopf neigte, kurz bevor sie ihn küssen konnte, durchschnitt eine nahe Sirene die Stille, und als sie sich umdrehten, sahen sie ein Boot der Küstenwache auf sich zurasen.
Graham ließ ihre Hände los, und Ellie taumelte an die Bordwand. Mit großen Augen sah sie das Boot näher kommen, der Bug hoch über den Wellen, erschreckend schnell, das Kielwasser wild aufschäumend.
»Wie stehen die Chancen«, fragte Graham, »dass sie gemerkt haben, uns ist der Sprit ausgegangen, und uns bloß helfen wollen?«
»Schlecht.« Ellies Herz pochte heftig. Sie hatte noch nie geklaut, nicht mal eine Packung Kaugummi, nie heimlich geraucht oder abgeschrieben, und jetzt würde sie gleich mit einem gestohlenen Boot geschnappt werden. Es spielte keine Rolle, dass nicht sie persönlich es gestohlen hatte; sie hatte mitgemacht. Graham hatte es für sie gestohlen, und während sich die Distanz zwischen den Booten verringerte, stand ihr das schlechte Gewissen ins Gesicht geschrieben. Das Küstenwachenboot war eher ein Schiff: groß und weiß und kantig, oben an der Brücke blinkende rote Lichter. Als es nah genug gekommen war, hob ein Mann mit dunkler Sonnenbrille und leuchtend oranger Windjacke ein Megafon.
»Bleiben Sie bitte, wo Sie sind«, knarzte es. »Bewegen Sie Ihr Fahrzeug nicht weiter.«
»Können wir sowieso nicht«, murmelte Graham.
»Das ist richtig schlimm jetzt«, flüsterte Ellie. »Oder?«
»Gut ist es nicht«, gab er zu, doch als er ihre Miene sah, zwang er sich zur Fröhlichkeit. »Aber alles wird gut. Ist bloß ein Missverständnis. Wir werden das regeln.«
Die Küstenwache ging längsseits, und der
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