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Der Geschmack von Glück (German Edition)

Der Geschmack von Glück (German Edition)

Titel: Der Geschmack von Glück (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer E. Smith
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nervös?« Er gab ihr die Tüte zurück. »Weil du deinen Vater treffen wirst?«
    Sie nickte mit zusammengepressten Lippen.
    »Hast du einen Plan?«
    Darauf antwortete sie nicht, und Graham fragte sich, ob der Wind seine Worte verweht hatte; sie hatte ihn anscheinend nicht gehört. Doch dann schob sie die Sonnenbrille ins Haar, und ihre grünen Augen blickten ihn so durchdringend an, dass sein Herz hüpfte wie der Bug in den Wellen.
    »Erinnerst du dich an das Lyrikseminar?« Sie erwartete keine Antwort. »Es ist echt schwer, da reinzukommen. Und ich will unbedingt hin.«
    Er runzelte die Stirn. »Aber du bist doch dabei, dachte ich.«
    »Bin ich auch«, sagte sie etwas zu heftig. »Aber mir fehlt noch Geld. Und Stipendien gibt es keine.«
    Graham holte tief Luft und wartete, dass sie weiterredete, schluckte seine Frage herunter, von der er wusste, dass sie jetzt ganz und gar unpassend war. Er wollte um keinen Preis etwas Falsches sagen, also hielt er den Mund.
    »Ich werde ihn um den Rest bitten.« Ihre Worte sprudelten jetzt rasch hervor. »Meine Mutter kann ich nicht um so viel bitten, und er hat ja wohl genug.«
    »Wie viel –?« Er konnte einfach nicht an sich halten, aber sie schnitt ihm das Wort ab, als hätte sie ihn gar nicht gehört.
    »Ich finde, das zumindest schuldet er mir.« Sie ritzte mit dem Fingernagel ins Holz. »So viele Jahre ist nichts von ihm gekommen. Und ich will das Geld ja nicht für irgendeinen Blödsinn wie ein Auto oder eine Tätowierung.«
    »Stimmt.«
    »Es ist für die Uni«, sagte sie. »Für Harvard.«
    Wider besseres Wissen räusperte er sich. »Wie viel brauchst du denn noch?«
    Sie schaute ihm in die Augen. »Tausend Dollar«, sagte sie so leise, dass der Wind die Worte fast davontrug, und beugte sich dann wieder übers Holz.
    Tausend Dollar , dachte Graham und schämte sich, weil es ihm so wenig vorkam. Er musste an das Geld denken, mit dem seine Eltern ihn auf die Privatschule geschickt hatten, wie ungeheuer viel ihm das damals erschienen war, auf wie viel sie dafür verzichten mussten. Jetzt war alles anders. Tausend Dollar. Letzten Monat erst hatte er einem Handwerker fast das Doppelte dafür bezahlt, hinten in der Waschküche einen Innenzwinger für Wilbur zu bauen. Er hatte schon Kollegen gesehen, die so viel Geld für ein Essen ausgaben, und er war sicher, die vielen in Olivias Wohnwagen verstreuten Handtaschen enthielten zusammen mindestens so viel, wenn nicht mehr.
    Er sah Ellies hängende Schultern – für sie waren tausend Dollar offensichtlich eine so unüberwindliche Hürde, dass sie sich in ihrer Verzweiflung mit einem gestohlenen Boot auf die Suche nach ihrem unbekannten Vater machte. Wie leicht wäre es, ihr einen Scheck auszustellen, ihr einen Stapel Banknoten in die Hand zu drücken, das Geld für den Kurs ohne ein Wort an Harvard zu überweisen. Aber das hier war kein Film, und er kannte sie inzwischen gut genug, um zu wissen, dass er damit nicht zu ihrem Helden würde, dass sie ihm nicht dankbar um den Hals fallen würde. Ihr spröder Stolz machte ein solches Geschenk unannehmbar. Sie musste das selbst regeln.
    »Und wenn …« Graham sah weiter gerade nach vorn. »Und wenn er Nein sagt?«
    Ellie ließ eine Hand aus dem Boot hängen und von der Gischt bespritzen. »Dann kann ich eben nicht teilnehmen«, sagte sie tonlos. »Aber er kann doch nicht Nein sagen.«
    Graham wusste genau wie sie, dass er wahrscheinlich Nein sagen würde, wenn ihn die kleine Episode von gestern wieder in die Klatschspalten brachte, wo er gerade anfing, Wahlkampfspenden zu sammeln. Jetzt wurde Graham klar, warum sie es so eilig hatte: Sie wollte den Nachrichten zuvorkommen.
    Sie stand auf und schob sich um ihn herum, griff nach dem Steuer. Er wich zurück und ließ sie fahren, und sie schaltete einen Gang höher, worauf sie schneller wurden und der Bug sich weiter aus dem Wasser hob.
    Graham schaute aufs Wasser und sah unter der Oberfläche die dunklen Schatten der Fische. Wäre alles anders gelaufen, säße er jetzt vielleicht mit seinem Vater hier draußen, die Angeln ausgeworfen, entspanntes Schweigen zwischen ihnen, während sie aufs Anbeißen warteten.
    Hier war die Küste etwas rauer, statt der großen Anwesen sah man kleinere Fischerhütten, und er dachte an all die Väter und Söhne, die gerade um diese Zeit ihr Angelzeug zusammenpackten, um den Feiertag in stiller Gemeinschaft zu verbringen. Sie wirkten so friedlich und heiter, diese Häuser an der Küste. Wie schön es

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