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Der Geschmack von Glück (German Edition)

Der Geschmack von Glück (German Edition)

Titel: Der Geschmack von Glück (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer E. Smith
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sah an ihnen vorbei zu den Nächsten in seiner endlosen Reihe von Handschlägen. »Genießen Sie den Tag«, sagte er schon im Weitergehen. Sein Fotograf hob von hinten die Kamera, um ein Bild zu machen – nicht bloß von Ellie und Graham, sondern auch von dem Mann mit der Red-Sox-Cap, dem Koch in der Hummerschürze und einigen weiteren Umstehenden –, doch Graham verkrampfte sofort und hob die Hand vors Gesicht. Der Fotograf zuckte die Achseln – verwirrt, aber nicht verärgert, und trottete dem Senator hinterher ins Meer potenzieller Wähler.
    »Tut mir leid«, sagte Graham zu Ellie. »Nach gestern Abend bin ich immer noch ein bisschen kamerascheu.«
    Doch sie antwortete nicht. Sie starrte nur ihrem Vater hinterher, der von einer bewundernden Menge verschluckt wurde. Sie schaute ihre leere Hand an, in der noch die Erinnerung an seine Handfläche kribbelte, und als sie wieder aufblickte, war er weg.

  
    –  Würde es helfen, wenn ich noch einen Witz erzähle?
    –  Wahrscheinlich nicht.
    –  Okay.
    –  Aber … danke.

zweiundzwanzig
    Sie beschlossen, das Boot dazulassen.
    Es war inzwischen sicher repariert worden, aber sie fühlten sich beide nicht recht in der Lage, es bis nach Henley zurückzufahren, und Graham hatte zwar schon seit einiger Zeit nicht mehr so lange im Bus gesessen, aber es erschien ihm doch als die angenehmere Variante. Nicht, dass er seekrank war – wenn man das an Land überhaupt sein konnte –, aber er spürte immer noch das Meer, so ein wiegendes Gefühl, das ihn leicht aus dem Gleichgewicht brachte. Selbst auf dem Rückweg zur Bushaltestelle, als der Lärm der Essmeile hinter ihnen nachließ, kam ihm das Pflaster unter den Füßen unzuverlässig vor.
    »Ist kein Problem«, sagte er zu Ellie, die stur geradeaus blickte. »Irgendwer von der Produktion kann es bestimmt morgen abholen, und außerdem haben sie gesagt, sie wollten es heil zurück, und da stehen die Chancen wahrscheinlich viel besser, wenn nicht wir drin sitzen.«
    Sie nickte genauso abwesend wie immer in den letzten zehn Minuten, mit starrem, glasigem Blick, der seinem auswich.
    Weil er nicht wusste, was er sonst tun sollte, plapperte er unaufhörlich weiter, obwohl es sogar für ihn selbst nervös und angespannt klang. »Und ich weiß sowieso nicht, wie der Hummer auf dem Brötchen das finden würde, wieder auf See zu sein.« Er klopfte sich auf den Bauch. »Ich meine, gut geschmeckt hat er, keine Frage. Aber bei dem Wellengang kann man nie wissen –«
    »Graham«, sagte sie, und er sah sie an.
    »Ja?«
    »Können wir bitte nicht über Hummerbrötchen reden?« Sie klang allerdings nicht unfreundlich.
    Er lachte. »Klar.«
    An der Bushaltestelle setzten sie sich auf die Holzbank gegenüber derjenigen, wo sie vorhin ausgestiegen waren. Es schien Stunden her zu sein, doch Graham wusste, es konnte höchstens eine gewesen sein, wahrscheinlich viel weniger. Sie waren immer noch müde und sonnenverbrannt, aber während sie auf dem Hinweg grimmige Entschlossenheit vorangetrieben hatte, waren sie jetzt nur auf dem Rückweg nach Henley, wo nichts Gutes auf sie warten konnte.
    Graham graute davor, Harry unter die Augen zu treten, der gestern Abend so geduldig mit ihm gewesen war, aber inzwischen sicher von der Sache mit dem Boot erfahren hatte. Er wusste, er hätte heute in Henley bleiben sollen. Er hätte sich den Folgen seines Handelns stellen und dabei helfen sollen, die Situation zu klären. Doch stattdessen hatte er getan, was er immer tat: Er war weggelaufen.
    Eigentlich war allerdings eher Verstecken seine Spezialität. Es war ihm zur unschönen Gewohnheit geworden; er ging allem aus dem Weg – Partys, Pressekonferenzen, Menschen im Allgemeinen – und zog sich zurück, nur mit einem Schwein als Gesellschaft. Als sein Leben sich geändert hatte, stürmte die ganze Welt auf ihn ein, und er reagierte auf die einzige Art, die er kannte: indem er einen Puffer zwischen sich und allen anderen Menschen legte, einen Sicherheitsabstand, der sogar für seine Eltern galt.
    Es war leicht, ihnen die Schuld zu geben, aber es lag auch an Graham. Er redete sich ein, dass sie sein neues Leben nicht verstanden, und anstatt sie hineinzulassen, schloss er sie aus. Er hatte Unabhängigkeit mit Einsamkeit verwechselt und sich so gründlich von der Welt abgewandt, dass eine E-Mail von Ellie ihn daran erinnern musste, wie sich ein richtiges Gespräch anfühlte.
    Sie war viel mutiger gewesen als er, da sie in eine unbekannte

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