Der Geschmack von Glück (German Edition)
war – und auch glücklicher –, so nahm der andere doch viel mehr Raum ein, und das würde sich nicht ändern.
Er schaute sie hilflos an. »Ich weiß es nicht«, wiederholte er und mochte ihr nicht in die Augen sehen. Als er sich schließlich doch traute, nickte sie. Sie wirkte gar nicht verletzt oder gekränkt oder auch nur überrascht. Sie sah ihn nachdenklich, vielleicht gar erwartungsvoll an, und in seinem Bauch meldeten sich Zweifel. Wieder nickte sie.
»Na, ein paar Tage haben wir ja noch«, sagte sie schließlich, und jetzt nickte Graham. »Was fangen wir also damit an?«
Er lächelte. »Wir stecken unsere Zehen ins Wasser.«
»Das mache ich total gern.«
»Ich weiß.«
»Was noch?«
»An einem heißen Tag Eis essen«, sagte er leise und schloss die Augen. »Den Wellen lauschen. Abends spazieren gehen. Schwimmen gehen. Gedichte lesen. Mit Bagel abhängen.«
Ellie sah ihn verwundert an. »Das ist aus meiner E-Mail.« Sie schüttelte ungläubig den Kopf. »Wie hast du das alles behalten?«
»Ging gar nicht anders.«
Jetzt lächelte sie, und ihre Augen strahlten. »Aber das sind viel zu viele Sachen. Dazu reicht die Zeit niemals.«
»Wir werden es schon hinkriegen«, versprach er und glaubte selbst fest daran.
Doch als sie sich Henley näherten, überkam ihn tiefe Traurigkeit. Jedes Mal, wenn jemand aus dem Bus stieg, wurde er angespannter, weil es ein Vorgeschmack auf seine eigene Abreise war. Ihre Sitze rochen muffig, auf den Fenstern hatte sich Salz in Streifen abgelagert, die Sonne brannte gnadenlos durchs Glas, und wenn man ihn gefragt hätte, was er gern am vierten Juli machen würde, hätte so eine Busfahrt sicher ganz unten auf der Liste gestanden. Trotzdem konnte er den Gedanken kaum ertragen, aus dem Bus aussteigen und in die richtige Welt zurückkehren zu müssen.
Als der Fahrer von der Bundesstraße abbog, die sie an der Küste entlanggeführt hatte, und der Motor unter ihren Füßen langsamer drehte, stand Ellie auf und streckte sich.
»Ein bisschen Zeit ist noch bis zum Feuerwerk«, sagte sie. »Ich habe Quinn gesagt, wir würden uns bei der Party treffen.« Graham merkte, dass sie über etwas nachdachte, als sie auf der Lippe kaute. Sie sah ihn lange an und traf eine Entscheidung. »Willst du …?«
»Was?«
»Willst du mitkommen?«
»Danke, dass du mich fragst.« Er wusste, was es bedeutete und was es sie kostete. Sie wussten beide, es war mehr als bloß eine Einladung. Sie hatte eine Wahl getroffen und sich für ihn entschieden.
Er beugte sich vor und küsste sie auf die Stirn. »Aber das ist wahrscheinlich keine so gute Idee.«
Sie lächelte traurig. »Fotografen?«
»Unter anderem. Jetzt haben wir es so weit geschafft. Hat doch keinen Sinn, jetzt noch alles zu ruinieren.«
Sie nickte. »Ich bleibe also das ›unbekannte Mädchen‹.«
»Wenn wir Glück haben.« Er lächelte. »Klingt doch ganz cool, findest du nicht?«
Der Bus bog in die Straße am Hafen ein, und sie sahen die Menschenmenge auf dem Grün, die sich bis auf die Straßen und vor die Geschäfte verteilte. Graham konnte kaum glauben, wie viele Menschen es waren; überall schlenderten sie herum, mit Hotdogs, Hamburgern und Hummerbrötchen, Bier trinkend, tanzend, Knaller zündend, die sich vom Boden hoben und zischend verlöschten. Es war kaum anders als das Fest eine Stunde weiter nördlich, nur dass sich in dieser Menge statt Ellies Vater Ellies Mutter verbarg. Und wahrscheinlich auch Harry.
»Ich wünschte, du könntest mitkommen«, sagte Ellie, als der Bus kurz vor dem Hafen anhielt, neben einer grünen Bank und einem kleinen Fahrplanschild.
»Ich muss mich sowieso erst mal um die Sache mit dem Boot kümmern, und dann sollte ich mal schauen, was mit dem Fotografen los ist«, sagte er. »Aber vielleicht sehen wir uns später?«
Ellie grinste. »Im Schutze der Dunkelheit.«
Sie stiegen aus, und der breite Bus schirmte sie vor den Blicken der Menge ab, doch in wenigen Sekunden würde er wegfahren und sie bloßstellen.
»Wir sehen uns später«, sagte Ellie und küsste ihn auf die Wange. Dann ging sie die Straße hinauf zum Fest und suchte mit gerecktem Hals nach ihrer Mutter oder Quinn.
Graham wusste, er sollte auch los, durch die Seitenstraßen zum Hotel, um den Massen auszuweichen, doch er brauchte ein wenig, um sich aufzuraffen. Er war vollauf damit beschäftigt, ihr hinterherzuschauen, und erst als die Bustür geräuschvoll zuklappte, blinzelte er, sah sich um und ging los.
Der Hoteleingang
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