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Der Geschmack von Glück (German Edition)

Der Geschmack von Glück (German Edition)

Titel: Der Geschmack von Glück (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer E. Smith
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Stadt fuhr, um einem Vater entgegenzutreten, an den sie sich nicht erinnerte und der sich offensichtlich auch nicht an sie erinnerte. Grahams Eltern wohnten nur ein kleines Stück von ihm weg, aber er musste erst auf der anderen Seite des Landes sein, um endlich eine Annäherung zu versuchen, und anscheinend war es zu spät gewesen. Geografie spielte dabei keine Rolle; egal, wo sie waren, es war immer zu viel Distanz zwischen ihnen.
    Ellie heute Nachmittag mit ihrem Vater zu sehen, hatte etwas in ihm zum Klingen gebracht, was er vorher gar nicht gespürt hatte. In ihr Gesicht hatte sich eine so unverhüllte Hoffnung gemalt, dass er sie unwillkürlich beschützen wollte vor dem, was dann geschah. Einen Elternteil anzusehen, der den Blick mit völliger Verständnislosigkeit erwidert – das konnte Graham sich nicht einmal vorstellen. Er wusste, der Senator konnte nichts dafür – wie sollte er darauf kommen, dass dieses Mädchen in der Menge ausgerechnet seine Tochter war? –, trotzdem wallte plötzliche Wut in ihm auf. Egal, wie lange es her war, wie fern man sich war, wie unbekannt: Es gab zwei Menschen auf der Welt, deren Aufgabe es war, einen zu sehen, zu finden und nach Hause zu holen. Ganz egal, was geschah.
    Jetzt rückte er auf der Haltestellenbank näher an sie heran. Das sonst so erfüllte Schweigen zwischen ihnen war leer und spröde geworden, und er wusste nicht, was er dagegen tun konnte. Der Bus kam in Sicht und hielt mit einem langen Zischen vor ihnen. Ellie und Graham warteten als Einzige und stiegen nun langsam die Stufen hinauf, müde Pilger am Ende einer langen Reise.
    »Vielleicht ist es besser so«, sagte er, als sie auf ihren Plätzen saßen und der Bus wieder losgeruckelt war. Auf dem Weg nach Süden lag das Meer nun links von ihnen, und Ellie legte die Stirn ans Fenster. Graham wünschte, er säße am Fenster und sie würde sich an seine Schulter lehnen, doch er wusste auch, sie brauchte jetzt Raum. Das verstand er besser als jeder andere.
    »Bestimmt hast du Recht«, sagte sie ohne Überzeugung. »Aber es ist irgendwie seltsam: Seit ich klein war, habe ich mir ausgemalt, wie es wohl wäre, die Tochter eines Senators zu sein. Aber ich habe wohl nie wirklich darüber nachgedacht, wie es wäre, seine Tochter zu sein.« Sie hielt inne und schüttelte den Kopf. »Das klingt wahrscheinlich ziemlich bescheuert.«
    »Machst du Witze?«, widersprach Graham. »Weißt du, wie viele Mädchen von mir träumen?« Ellie verdrehte die Augen. »Das meine ich ganz ernst«, sagte er mit halbem Lächeln. »Die Sache ist: Die träumen überhaupt nicht von mir, verstehst du? Die träumen nur von einer Vorstellung. Darum ist die Realität dann immer eine Riesenenttäuschung.«
    »Im Fall meines Vaters ja«, sagte sie. »In deinem Fall …«
    »Nur ein bisschen?« Er grinste hoffnungsvoll, und sie lächelte zurück.
    »Nur ein bisschen«, stimmte sie zu. »Aber vielleicht hast du wirklich Recht. Es ist am besten so. Und außerdem, wenn meine Mutter je rausbekommen hätte, dass ich ihn um Geld gebeten habe, ohne zuerst zu ihr zu kommen …«
    »Du weißt ja«, sagte Graham, »ich würde liebend gern –«
    »Nein«, sagte sie ein bisschen zu harsch, was sie auch gleich merkte. »Aber vielen Dank«, fügte sie sanfter hinzu und lächelte entschuldigend. »Eigentlich ging es sowieso nicht ums Geld.«
    »Sondern darum, ihn zu sehen.«
    Sie nickte. »Diesen Augenblick habe ich mir mein ganzes Leben lang vorgestellt. Aber so ist es dabei eigentlich nie abgelaufen.«
    »Echt nicht?«, fragte Graham. »Du hast dir nie vorgestellt, du würdest ihm beim Büfett am vierten Juli die Hand schütteln?«
    Ellie lachte, und Graham hielt es nicht länger aus: Er legte den Arm um sie und zog sie an sich, so dass ihr Kopf an seiner Schulter lag und sie beide aus dem Fenster schauten, wo das Meer vorbeizog, ein blaues Wellenband vor dem helleren Himmel.
    »Meinst du, ich hätte ihn trotzdem fragen sollen?«, fragte sie, und als Graham den Kopf schüttelte, streifte sein Kinn ihre Haare. »Oder ihm zumindest sagen, wer ich bin?«
    »Es war einfach nicht der richtige Moment«, sagte er. »Du hast getan, was jeder Mensch tun würde.«
    »Nämlich gar nichts.«
    »Du bist überhaupt erst mal hingefahren. Das ist doch was.«
    »Fühlt sich aber nicht so an.« Sie lachte heiser. »Und diesmal habe ich tatsächlich dran geglaubt.«
    »Woran?«
    »An die Suche«, sagte sie. »An meinen Vater.«
    Graham sah aus dem Fenster, wo die Sonne

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