Der Geschmack von Sommerregen (German Edition)
in mir aus, während ich die Tür fixiere und hoffe, dass Mattis vielleicht doch nur zu spät kommt.
Aber sein Platz bleibt leer. Wie es aussieht, habe ich mich umsonst aufgebrezelt.
In der Pause stehe ich mit Lena und Walli zusammen. Walli hat rote Locken, grüne Augen und eine Million Sommersprossen, und so dramatisch wie ihr Äußeres ist auch ihr Wesen. Sie möchte Schauspielerin werden, und sie wirkt, als sei sie schon jetzt permanent am Üben. Normalerweise finde ich das ganz lustig.
Heute nicht.
Heute nervt es mich, dass sie sich verschwörerisch umsieht und dann in bester Agentenmanier raunt: »Ich weiß, wo er steckt.«
»Ach ja?«, sagt Lena gleichgültig und vermeidet es dabei, mich anzusehen.
Walli nickt. »Er ist in München. Hat dort einen Model-Job. Die Schule hat ihm extra dafür freigegeben.«
Lenas Gleichgültigkeit verabschiedet sich. Sie reißt die Augen auf. »Ein Model-Job? Wow! Was macht er denn genau?«
Walli zuckt mit den Schultern. »Werbung für Unterwäsche wahrscheinlich, so sexy, wie der Typ ist.« Sie kichert.
Ich trete von einem Fuß auf den anderen und zwinge meine Stimme zu einem gelassenen Tonfall, als ich frage: »Wer hat dir das erzählt?«
»Jasmin. Und die hat’s von Bernice. Angeblich arbeitet Mattis regelmäßig als Model, und seine Freundin hat er bei einem Shooting für H&M kennengelernt.«
Ich denke an die kaffeebraune Schönheit auf dem Plakat neben der Post und stöhne innerlich auf. Wenn Mattis so eine als Freundin hat, denke ich, kann ich gleich einpacken.
Schleimig grün schleicht sich die Eifersucht auf meinen inneren Monitor.
»Von Börny weißt du das also. Dann muss es ja stimmen.« Lenas abfällige Stimme holt mich zurück auf den Boden. Sie hat recht, rede ich mir schnell ein. Bestimmt ist Mattis nicht beim Modeln, sondern liegt mit … sagen wir, Brechdurchfall darnieder.
Sofort korrigiere ich mich. Grippe, Halsweh, alles in Ordnung. Aber dass ein Typ wie Mattis an etwas so Unattraktivem wie Brechdurchfall leiden könnte, will und kann ich mir nicht vorstellen.
»Er ist in jeder freien Minute mit seiner Freundin zusammen«, sagt Walli und wickelt sich eine rote Locke um den Zeigefinger. »Sie ist älter als er, sagt Bernice, und ganz verrückt nach ihm. Will ihn jedes Wochenende sehen. Darum ist er auch nie dabei, wenn in Walding was abgeht. Klar, der vergnügt sich lieber in München mit seinem Supermodel. Sie sollen Stammgäste im P1 sein! Ihr wisst schon, die Promi-Disco. Mattis und seine Freundin kennen sogar den Türsteher!«
Allmählich kommt mir die Geschichte, Eifersucht hin oder her, doch ein bisschen unglaubwürdig vor. Das Ganze klingt zu sehr nach dem, was Leute wie Bernice sich unter Glamour vorstellen. Oder leben Models wirklich so?
»Kommt man unter achtzehn denn ins P1 rein?«, frage ich nüchtern.
»Keine Ahnung.« Walli wirkt verunsichert. »Wenn man mit einem volljährigen Model aufkreuzt, wahrscheinlich schon. Ach, was weiß denn ich!«
Verstimmt sieht sie uns aus ihren grünen Katzenaugen an. Wir haben ihr die coolste Geschichte seit Ewigkeiten verdorben – wann kommen wir in Walding schon mal mit Models, Promis und Türstehern in Kontakt? –, und das nimmt sie uns übel.
»Was hast du überhaupt mit deinen Augenbrauen gemacht, Sophie?«, fragt sie angriffslustig. »Und dazu die Haare und das alles. Testest du schon dein Styling für den Abi-Ball?«
Ich verdrehe die Augen, um ihr zu zeigen, wie herzlich egal mir ihre Sticheleien sind. Was natürlich nicht stimmt. Aber das muss sie ja nicht wissen.
»Sieht doch toll aus«, verteidigt mich Lena. »Bist du eifersüchtig, Walli?«
Walli lacht. »Klar«, sagt sie, und das finde ich dann doch ziemlich gemein. Als wäre es völlig unmöglich, auf jemanden wie mich eifersüchtig zu sein.
»Hey, Baby«, höre ich in diesem Moment Noahs Stimme hinter mir.
Ich zucke zusammen.
Drehe mich nicht um.
Doch er kapiert es nicht, umrundet mich und bleibt zehn Zentimeter vor mir stehen. Unwillkürlich weiche ich zurück, bringe einen Sicherheitsabstand zwischen uns. Widerwillen flammt in mir auf, in einem blassen Orange, jederzeit bereit, sich zu wütenden Feuerbällen zu steigern.
»Was willst du?«, frage ich und presse mir die Fingernägel in die Handflächen.
»Dir sagen, wie scharf du heute aussiehst.«
Prompt bereue ich, dass ich mein kurzes Sommerkleid angezogen habe statt des üblichen, burschikosen T-Shirts mit Jeans.
Noah lächelt und lässt seinen Blick an mir
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