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Der Geschmack von Sommerregen (German Edition)

Der Geschmack von Sommerregen (German Edition)

Titel: Der Geschmack von Sommerregen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Leuze
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inneres Zitronengelb fehlt auf der Aufnahme. Natürlich.
    Wie es wohl wäre, meine Monitor-Farben auf einem Foto abgebildet zu sehen?
    Müßig, darüber nachzudenken. Ich stehe auf, klopfe mir die trockene Erde von den Beinen und stapfe aus dem Maisfeld zurück auf den Weg. Ich fotografiere bereits seit drei Stunden, jetzt steht mir der Sinn nach einer Cola. Allerdings nicht zu Hause, wo meine Eltern im Garten werkeln, sondern im Biergarten am Waldinger Weiher.
    Über den einsamen Feldweg laufe ich Richtung Wald. Für Mitte Mai ist es verdammt heiß, und ich bin froh, als ich in die schattige Kühle der Bäume eintauche. Eigentlich dauert es von hier bis zum Weiher nur zehn Minuten, aber ich bleibe immer wieder stehen, weil alles um mich herum nach Beachtung schreit: die glatte Rinde einer Buche. Die weit offen stehenden Schuppen eines Tannenzapfens. Der Eichelhäher mit seinen im Flug ausgebreiteten Schwingen. Ich knipse und knipse und brauche mehr als eine Stunde, bis sich der Wald endlich lichtet und der Weiher vor mir liegt.
    Mit ausgedörrter Kehle und einem immensen Loch im Bauch trabe ich am Ufer entlang. Wie erwartet, ist der Kiesstrand ziemlich leer, wahrscheinlich sind wieder alle im Freibad. Lediglich ein paar Touristen, mit Sonnenbrand auf den Oberschenkeln und Bayern-Reiseführer in den Händen, haben ihre Handtücher am bräunlichen Wasser ausgebreitet.
    Ich steuere auf den Biergarten zu und gehe direkt zur rustikal überdachten Selbstbedienungstheke. Als ich Leberkäse, Kartoffelsalat und Cola in Empfang genommen habe, balanciere ich mein Tablett an einen freien Tisch und stürze mich auf mein Essen, froh, dass meine Mutter mich nicht dazu ermahnen kann, nicht so zu schlingen. Ich verschlucke mich prompt am Leberkäse, als eine dunkle Stimme neben mir fragt: »Hey, Sophie. Stört es dich, wenn ich mich zu dir setze?«
    Krampfhaft würge ich das Stück Leberkäse heraus, das mir in die Luftröhre gerutscht ist. Ich spucke es auf den Tisch und schaue hustend und mit tränenden Augen hoch – direkt in Mattis’ Gesicht.
    Verdammt, denke ich benommen, und noch mal: Verdammt!
    Das kann doch jetzt nicht wahr sein.
    Da mache ich mich schön, wage mich kampfbereit und rundumerneuert in die Schule, nur damit Mattis mich bemerkt, und was tue ich, als er sich zu mir an den Tisch setzen will? Ich spucke Leberkäse auf den Tisch.
    »Tut mir leid, ich wollte dich nicht erschrecken«, sagt Mattis. Unschlüssig steht er neben mir.
    In mir tobt das altbekannte Pink, vermischt mit funkensprühendem Rot, und ich weiß nicht, was stärker ist: Scham oder Aufregung.
    »Du hast mich nicht erschreckt«, stammele ich, »setz dich doch, ich meine, wenn du das immer noch willst, nachdem ich … äh … mich an dem blöden Leberkäse …« Scheiße, was rede ich da?
    Mattis lächelt und lässt sich mir gegenüber auf die Bank fallen.
    Einige Sekunden lang starre ich in seine dunklen Augen, berausche mich am Anblick seiner gebräunten Haut, seines Mundes, seiner breiten Schultern. Dann senke ich hastig den Kopf. Smalltalk, Sophie!, ermahne ich mich. Denk dir was aus!
    »Du, ähm, wo warst du denn die letzten Tage? In München?«, frage ich mit dem Mut der Verzweiflung.
    Mattis zieht die Augenbrauen hoch. »Nein, warum? Ich war krank.«
    »Brechdurchfall?«, rutscht es mir heraus, und sofort könnte ich mich ohrfeigen.
    »Halsweh.« Mattis lacht. »Gibt es sonst noch etwas, was du gerne wissen möchtest?«
    Oh ja, ob du eine Freundin hast, schießt es mir durch den Kopf, ob du mich hübsch findest, ob du dich nur zu mir gesetzt hast, weil ich so einsam aussehe, ob es dir was ausmacht, dass ich einen Hang zum Wahnsinn habe, ob deine Lippen sich beim Küssen so weich anfühlen, wie ich mir das vorstelle …
    »Im Moment nicht«, sage ich steif und trinke einen Schluck von meiner Cola. Nicht, dass ich noch Durst hätte, aber wenn ich trinke, kann ich immerhin nichts sagen. Kann nicht aufdringlich sein, nicht neugierig, nicht peinlich.
    »Dann gehe ich mir auch mal was zu essen holen«, sagt Mattis. »Vielleicht fallen dir währenddessen noch ein paar Fragen ein.«
    Er grinst, steht auf und macht sich auf den Weg zur Selbstbedienungstheke, während ich ihm nachstarre und mir sage, dass ich das bestimmt gerade träume.
    Da dreht er sich noch einmal um und fragt: »Es ist doch okay, wenn ich mit dir esse, oder? Ich will dich nicht stören.«
    Jetzt bin ich wirklich verblüfft. Er, Mattis Bending, das Möglicherweise-Model mit der

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