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Der gestohlene Abend

Der gestohlene Abend

Titel: Der gestohlene Abend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfram Fleischhauer
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»Wirklich, Professor Barstow. Es tut mir leid.«
    »Kein Problem. Vielleicht ist es ja auch nur eine Phase.« Sein Blick fiel wieder auf meine Bücher.
    »Und Kleist? Kommen Sie voran? Schon eine Idee für eine Hausarbeit?«
    »Ich habe mich noch nicht entschieden. Aber am Montag muss ich Marian meine Literaturliste vorlegen. Bis dahin werde ich es sicher wissen.«
    Ich wollte das Gespräch beenden. Aber Barstow machte keinerlei Anstalten, aufzustehen.
    »Deshalb muss ich mich auch beeilen.«
    »Ja, klar«, sagte er sofort. »Ich will Sie nicht aufhalten.«
    Ich stand auf.
    »Tun Sie mir einen Gefallen, Matthew?«
    »Ja. Sicher. Wenn ich kann.«
    »Kommen Sie doch gegen Ende des zweiten Trimesters mal in mein Büro. Wenn Sie mit allem fertig sind und etwas mehr Zeit haben. Einverstanden?«

Kapitel 32
    Ich verbrachte den Abend allein und versuchte zu arbeiten. Aber vor lauter Grübeln kam ich überhaupt nicht voran. Gegen zehn rief ich Janine an, aber sie war nicht zu Hause. Ich sprach auf ihren Anrufbeantworter. Erst um halb zwölf rief sie zurück. Sie war bis jetzt in der Bibliothek gewesen und todmüde. Wir verabredeten uns für Sonntag. Wir würden nach Venice Beach fahren und eine Freundin von ihr besuchen. Diese Aussicht hob meine Stimmung beträchtlich.
    »Aber wie soll ich es bis übermorgen aushalten, ohne dich zu sehen?«, fragte ich sie.
    »Ganz einfach. Schließ die Augen.« »Und wie soll ich dann lesen?«
    »Tja, da musst du dich entscheiden. Ich oder die Bücher.« »Du!«
    »Hmm. Bist du schon im Bett?« »Nein. Du etwa?« »Ja.«
    »Was hast du an?« »Nichts.«
    »Ich komme vorbei.« »Nein. Ich komme vorbei.« »Wirklich?«
    »Ja. Pass auf. Schließ die Augen, und dann höre mir zu ...« Was sie mir dann alles sagte, ließ mich schon gar nicht einschlafen. Ich lag bis zwei Uhr wach. Das übliche Mittel zur Abfuhr dieser Art Erregung war ausgeschlossen. Eine anonyme Sexfantasie konnte ich mir im Moment unmöglich zusammenbauen, und Janine war mir dafür zu schade. Also versuchte ich mich anderweitig abzulenken, mit Gedanken an Barstow und immer wieder an David.
    Am nächsten Morgen stand er schon wieder vor der Tür.
    »Hallo Matthew«, sagte er. »Wie geht's? Schon gefrühstückt? Wie war's mit einem Kaffee?«
    Was bezweckte David nur mit diesen Spontanbesuchen? Ich ging dennoch mit. Erstens weil ich noch nicht gefrühstückt und nicht einmal einen vertrockneten Bagel im Haus hatte. Und zweitens weil ich einfach Lust dazu verspürte. Ich mochte David. Und er tat mir plötzlich leid. Er sprach mit niemandem. Das konnte nur heißen, dass er litt. Und wenn man ihm etwas genauer in die Augen schaute, dann sah man es auch. Er litt wie ein Hund. Wegen Janine natürlich. Es konnte gar nicht anders sein. Und offenbar schien es ihm zu helfen, wenn er mit mir redete. Einen Kaffee konnte ich ja wohl mit ihm trinken. Ich stieg in seinen Wagen und überlegte, wie ich reagieren sollte, falls er auf Janine zu sprechen kam. Denn dass dies früher oder später geschehen würde, schien mir unvermeidlich.
    »Ich kenne da einen originellen Ort«, sagte er und fuhr los. »Ist ziemlich speziell. Solltest du mal gesehen haben.«
    Ich nickte nur. Den Vormittag konnte ich vermutlich abschreiben. Aber außerhalb des Campus liefen wir weniger Gefahr, Janine zu begegnen.
    »Wie bist du eigentlich hierhergekommen?«, wollte er dann wissen.
    Ich erzählte ihm in groben Zügen meine Geschichte. Wir fuhren nicht die Küstenstraße, sondern die höher gelegene Autobahn, was mir ganz recht war, denn so kamen wir schneller voran. Als wir nach fast zwanzig Minuten bereits die vierte Abfahrt zu den Küstenstädtchen passiert hatten, fragte ich, ob er bis nach Los Angeles fahren wolle.
    »Nein«, antwortete er. »Eigentlich will ich noch weiter.«
    »Aha. Und wohin?«
    »Ich wollte dir etwas zeigen, Matthew. Du interessierst dich doch für De Vander, oder?«
    »Ja. Sicher«, antwortete ich misstrauisch.
    »Nördlich von L. A. gibt es etwas, das dir De Vander besser erklären kann als alle Seminare von Hillcrest zusammengenommen.«
    Nördlich von L.A.? Das bedeutete mindestens zwei Stunden Fahrt.
    »Moment mal, David. Wir wollten einen Kaffee trinken. Ich kann nicht einfach einen Tag freimachen.«
    Er schaute mich spöttisch an. »Brauchst du ja gar nicht. Ich gebe dir nebenher ein paar Privatstunden. Was willst du wissen? Marians Ansatz zu Kleist? Das kann ich dir in einer halben Stunde erklären. Willst du eine Fragestellung zur

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