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Der gestohlene Abend

Der gestohlene Abend

Titel: Der gestohlene Abend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfram Fleischhauer
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Party geben. Vielleicht am Samstag. Sind Sie frei, Matthew?«
    »Ja. Sicher.«
    Jetzt erhob sie sich.
    »Gut. Ich sage den anderen morgen Bescheid. Bei zwanglosen Treffen bricht das Eis schneller. Wann bekomme ich Ihre Kleist-Texte?«

Kapitel 36
    Als ich nach Hause zurückkehrte, hatte Janine sich noch immer nicht gemeldet, trotz meiner ganzen Anrufe auf ihrem Anrufbeantworter. Wenn sie unbedingt schmollen wollte, konnte ich es auch nicht ändern. Diese Verteidigungshaltung funktionierte ein paar Stunden. Dann brach sie völlig in sich zusammen. Ich ließ alles stehen und liegen, verließ die Bibliothek und machte mich zum wer weiß wievielten Mal auf den Weg zu ihrer Wohnung.
    War alles vielleicht noch viel schlimmer, als ich befürchtet hatte? War es schon das Ende? Ich hatte ja bisher nur die Rolle des unbelasteten, unbeschwert Neuen gespielt. Das war nicht viel. Trotz des schönen Geredes von Paris und Weihnachten. Ich ließ die Bibliothek links liegen, ging querfeldein über die Wiesen zwischen dem Pool und dem Geologiegebäude hindurch und erreichte die Straße, die zu Janines Wohnblock führte. Der Anblick traf mich wie ein Schlag. Die Fenster ihrer Wohnung waren erleuchtet. Auf dem Parkplatz stand ihr Wagen. Und direkt daneben der von David.
    Ich blieb einfach stehen und starrte auf die Fenster. Die Vorhänge waren zugezogen. Aber dahinter brannte Licht. Ich ging ein paar Schritte rückwärts und setzte mich an einer geschützten Stelle ins Gras. Redeten sie? Worüber? Über mich? Über sich? Über uns drei? Oder was taten sie?
    Ich saß da und wartete, Minute um Minute. Aber nichts geschah. Das Licht war noch immer an. War vielleicht nur sein Wagen hier? Oder war es gar nicht seiner? Natürlich war es Davids Wagen. Ich war ja gestern hunderte von Meilen darin gefahren. Ich kannte sogar die Nummer. Sollte ich einfach hinaufgehen? Schließlich hatte ich keinerlei Veranlassung, mich zu verstellen. Ich wollte sie endlich sehen, und sei es nur für ein paar Minuten. Ich ging zur Bibliothek zurück. Wenn sie nicht ans Telefon ging, dann wusste ich wenigstens, woran ich war. Aber sie antwortete nach dem dritten Klingeln. Endlich.
    »Hello.«
    Ich hatte einen trockenen Mund. Mein Herz raste.
    »Ich bin's. Matthew.«
    Pause.
    »Ich kann jetzt nicht sprechen«, sagte sie. »Ich rufe dich morgen an. OK?«
    »Aber ... Janine, ich meine, kannst du mir bitte sagen, was los ist?«
    »Nicht jetzt. Bitte. Ich rufe dich morgen an. Mach dir keine Sorgen. Ich kann jetzt nicht. Morgen. Versprochen.« Dann war die Leitung tot. Ich knallte den Hörer auf die Gabel.
    »Ts, ts«, machte eine Stimme neben mir. Es war Theo.

Kapitel 37
    »Alles klar?«, fragte er und lächelte unsicher.
    »Ja, so etwa.«
    Ich wusste überhaupt nicht, wohin mit mir. Ich kämpfte mit den Tränen, wollte mir aber nichts anmerken lassen. Und Theo blieb einfach stehen und schaute mich skeptisch an. »Sag mal, hast du schon zu Abend gegessen?«, fragte er. Der Gedanke an Essen war mir zuwider. Aber Theo war mir willkommen. Ich musste aus dieser Stimmung heraus.
    Fünfzehn Autominuten später saßen wir in einer klimatisierten Tex-Mex-Kneipe. Ich begriff, warum Theo ständig mit einem Dufflecoat herumlief. Auch ich ließ meine Jacke an.
    Draußen war mildes Herbstwetter, und hier drin lief die Klimaanlage.
    »Wie läuft es bei Robin?«, wollte Theo wissen.
    »OK. Sie ist sehr nett.«
    »Und die Schreiberei? Feuer gefangen?«
    Er war bei ihr. Was geschah in diesen Minuten? Warum saß ich hier? Hatte David sein Ziel erreicht? Sie liebte ihn noch. Ich war nichts als eine kurze Affäre gewesen. Beziehungstherapie.
    »Ich glaube nicht, dass ich Talent habe.«
    »Warum?«
    »Weil es mir ziemlich schwerfällt, jeden Tag eine Seite vollzuschreiben.«
    »Das ist eher ein gutes Zeichen. Flaubert hat meistens nur einen Satz geschafft. Und wie läuft's im INAT?« »Reden wir lieber über etwas anderes.« Er sah mich besorgt an.
    »Sag mal, was ist denn mit dir los?«, fragte er. »Du siehst total blass aus.«
    Am liebsten hätte ich ihm alles erzählt. Das Telefongespräch lief wie ein Dauerecho durch meinen Kopf. Mach dir keine Sorgen. Mach dir keine Sorgen. Das war mein einziger Strohhalm. Keine Sorgen! Pah. Er wollte sie wiederhaben. Natürlich. Was denn sonst. Und ich verbrachte auch noch ein Wochenende mit diesem falschen Hund. Gerda hatte recht gehabt. David war ein intelligentes Arschloch.
    »Zu viel Arbeit«, log ich.
    Wenn es ohnehin vorbei war, dann brauchte

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