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Der gestohlene Abend

Der gestohlene Abend

Titel: Der gestohlene Abend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfram Fleischhauer
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das Restaurant. Es war nicht sehr groß. Ein Dutzend Tische, sehr aufwendig aber geschmackvoll gedeckt mit aufgestellten, gestärkten weißen Servietten sowie Besteck und Gläsern für ein ganzes Abendmenü. Die Wände waren dunkelrot und bis auf Schulterhöhe holzvertäfelt. Auf einer Tafel waren in geschwungener Kreideschrift die Speisen aufgelistet. Unter anderen Umständen genau der richtige Ort für ein romantisches Abendessen.
    Der Ober nahm unsere Mäntel und führte uns an einen Tisch. Wir waren die ersten Gäste, was mir recht war. Janine bestellte ein Glas Weißwein. Ich schloss mich an. Dann musterten wir beide die Tafel. Genau wie ich sprach sie Französisch nicht besonders gut, konnte es aber lesen. Was Speisekarten betraf, war sie mir haushoch überlegen. Das war mir in Paris schon aufgefallen. Die blumig umschriebenen Gerichte bereiteten ihr keinerlei Verständnisschwierigkeiten. Ich sagte, ich wolle das Gleiche wie sie, und sie bestellte sofort, als der Ober den Wein brachte.
    Obwohl wir uns gegenübersaßen, gelang es ihr irgendwie, mich kaum anzuschauen. Die wenigen Sätze, die wir seit Betreten des Restaurants ausgetauscht hatten, waren die einzigen Momente gewesen, wo wir Blickkontakt hatten. Jetzt stand sie auf und ging zur Toilette. Ich wartete und nippte an meinem Weißwein. Sie hatte ihren noch nicht angerührt. Bestand vielleicht Hoffnung, dass ein wenig Alkohol die frostige Stimmung mildern würde?
    Der Gruß aus der Küche stand schon da, als sie zurückkam. Sie griff nach einem der vier winzigen Toaststücke mit Gänseleberpastete und steckte es in den Mund. Dann trank sie einen Schluck Wein, ohne mit mir anzustoßen, machte dem Kellner ein Zeichen und bestellte eine Flasche Wasser. Mit jeder Minute erschien sie mir schöner, begehrenswerter und fremder. Ich kannte diese Frau überhaupt nicht. Ich hatte zwar diese Haut geküsst, die hinter den weißen Spitzen ihres Ausschnitts zu sehen war, und auch diese Lippen. Und ich wusste, welchen sinnlichen Glanz diese Augen, die mir dauernd auswichen, ausstrahlen konnten. Aber was sich dahinter abspielte, war mir schleierhaft.
    »Und? Wonach hast du in der Bibliothek gesucht?«, fragte sie. »Neue Aufsätze über Tim und Struppi?«
    Dieser Ton.
    »Können wir vielleicht zwei Dinge trennen, Janine?« »Bei Menschen, an denen mir etwas liegt, trenne ich keine Dinge.«
    »Ich habe einen Fehler gemacht. Ich hätte dir in Paris sagen sollen, was ich vorhatte.«
    »Was hat David dir erzählt?«
    »David? Gar nichts. Genauso wenig wie du.«
    »Was willst du damit sagen?«
    »Dass du genauso unehrlich bist wie ich, Janine. Irgendetwas war zwischen euch, das ich nicht wissen soll. OK, das ist eure Sache.«
    »Wenn es unsere Sache ist, warum lässt du es dann nicht unsere Sache sein?«
    »Weil... mein Gott, Janine, David ist tot.«
    »Das brauchst du mir nicht zu sagen.«
    Die Vorspeise kam. Einige Minuten lang sagten wir kein Wort.
    »Also, welche Dinge willst du trennen?«, fragte sie dann.
    »David und mich. Hillcrest und uns. Ich ... ich liebe dich, Janine. Das Letzte, was ich im Sinn hatte, war...«
    »Hör auf. Menschen, die man liebt, hintergeht man nicht. Nicht so. Du weißt überhaupt nicht, wovon du redest.«
    Ich ließ meine aufgespießte Jakobsmuschel liegen und schob den Teller zur Seite. War das die Ohrfeige, nach der es allmählich besser werden würde?
    »David hat mir nichts erzählt«, sagte ich. »Auf der Fahrt nach San Simeon hat er ein paar Mal gesagt, er werde mir einen Abend stehlen, aber es würde sich für mich lohnen. Ich dachte, er meinte uns beide damit, dich und mich, unser Wochenende, das er uns mit seiner Aktion verdorben hat. Als dann später dieser Journalist mit Davids Brief aufgetaucht ist, fiel mir die seltsame Formulierung wieder ein. Es war offenbar irgendein Code für ihn. Also habe ich versucht, mir einen Reim darauf zu machen. Und die Spuren führen hierher.«
    »Und warum hast du mir davon nichts gesagt?«
    »Weil das Thema David zwischen uns so heikel ist. Und weil ich Angst hatte, dass du wieder so reagieren würdest wie damals, als wir nach San Simeon gefahren sind.«
    »Weil du mich nicht respektierst, Matthew.«
    »Natürlich respektiere ich dich.«
    »Warum bist du dann mitgefahren? Warum verhältst du dich wie David? Warum hintergehst du mich ständig, lügst mich auf Schritt und Tritt an?«
    Ich spielte mit meinem Weinglas. Ich spürte ihren Blick, doch jetzt war ich es, der ihr auswich.
    »Kennst du das Wort

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