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Der gestohlene Traum

Der gestohlene Traum

Titel: Der gestohlene Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Marinina
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rauschender Beifall für die gelungene Pointe einsetzen, oder das Publikum würde ihn für seinen missglückten Auftritt mit faulen Eiern bewerfen.
    »Du bist ein Idiot, Major!«, sagte er zornig, bemüht, so aufrichtig wie möglich zu wirken.
    Nastjas Gesicht entspannte sich sofort, und er begriff, dass er ins Schwarze getroffen hatte. Larzew löste sich aus seiner Starre, er ließ seine Schultern fallen und senkte den Kopf. Dann krümmte er sich zusammen und schien in einem einzigen Augenblick um zehn Jahre gealtert zu sein.
    »Versprich mir, dass du tun wirst, was ich dir gesagt habe.«
    »Aber ja, natürlich, ich verspreche es«, sagte Nastja mit weicher Stimme. »Mach dir keine Sorgen. Lass uns in die Küche gehen, dort ist es wärmer.«
    Sie tranken schweigend Kaffee, aßen Kekse und dachten alle drei an dasselbe. Pünktlich um zwei Uhr sahen Nastja und Larzew sich an. Dann erhoben sie sich langsam und gingen nach nebenan, wo das Telefon stand. Eine Minute später ertönte ein ohrenbetäubendes Läuten.

ZWÖLFTES KAPITEL
    Der sechsundvierzigjährige Jewgenij Morozow hielt sich für einen Pechvogel. Alle seine Altersgenossen hatten es inzwischen zum Oberstleutnant oder sogar zum Oberst gebracht, aber er war immer noch Hauptmann, nicht einmal den Status des Majors hatte er erreicht. Seine Hauptaufgabe bestand in der Fahndung nach vermissten Personen sowie nach Verdächtigen und Beschuldigten, die untergetaucht waren, um sich der Gerichtsbarkeit zu entziehen. Seine Arbeit erschien ihm grau und freudlos, er hatte schon lange die Hoffnung auf Beförderung aufgegeben, verrichtete seinen Dienst ohne jeden Enthusiasmus und wartete nur noch auf seine Pensionierung. Seit einiger Zeit trank er, nicht sehr viel, aber regelmäßig.
    Nastja Kamenskaja hatte er vom ersten Augenblick an nicht gemocht. Vor allem ärgerte es ihn, dass er mit einer Frau Zusammenarbeiten musste, die über zehn Jahre jünger war als er und sich bereits Majorin nennen durfte. Und dieser Frau musste er sich sogar unterordnen! Das war die schwerste Kränkung, die man seiner Selbstliebe hatte zufügen können. Zudem verstand und billigte er die Arbeitsmethoden der Kamenskaja nicht. Archivangelegenheiten, Bücher ausländischer Autoren, ewige Verhöre, ein Violinschlüssel und anderer Unsinn. Ihn hatte man seinerzeit ganz anders zu arbeiten gelehrt. Es ging nicht darum, mit klugem Gesicht auf dem Sofa herumzusitzen, sondern darum, die Beine in die Hand zu nehmen und auf die Suche zu gehen.
    Die Wut auf diese Rotznase von der Petrowka 38 hatte Morozow auf die Idee gebracht, den Mordfall Jeremina im Alleingang aufzuklären. Auf eigene Faust und allen anderen zum Trotz. In der Abteilung, in der er arbeitete, war vor kurzem eine Stelle frei geworden, die den Aufstieg zum Major bot und vier Jahre später eine weitere Beförderung zum Oberstleutnant. Das war eine Chance, und es wäre dumm gewesen, sie nicht zu nutzen. Er musste nur einen unübersehbaren, spektakulären Erfolg erzielen und denen von der Petrowka zeigen, was eine Harke war. Sein Abteilungsleiter würde mit ihm sehr zufrieden sein, denn auch er mochte die elitären Kripobeamten von der Petrowka nicht. Doch vorläufig dachte Morozow nicht daran, seinen Chef in seine Pläne einzuweihen.
    Nachdem die Jeremina als vermisst gemeldet worden war, hatte er sich, wie immer, kein Bein ausgerissen. Eine attraktive, ledige junge Frau, die als Trinkerin bekannt war – wozu hätte man so eine suchen sollen? Solche wie die kamen von ganz allein wieder nach Hause, sobald sie nüchtern waren und ihren Spaß im Bett gehabt hatten. Wie oft hatte er das in seiner langjährigen Dienstzeit schon erlebt. Doch als man Vika erwürgt aufgefunden hatte, hatte Jewgenij sich sofort an die Arbeit gemacht. Eine Woche lang graste er die ganze Bahnstrecke nach Saweljewsk ab, er sprach mit Milizionären und durchkämmte sämtliche Züge auf der Suche nach Dauerfahrgästen, die die auffallend schöne junge Frau bemerkt haben könnten. Morozow wusste aus Erfahrung, dass Menschen, die die Vorstadtzüge nicht regelmäßig benutzten, andere Fahrgäste nicht weiter beachteten. Solche jedoch, die immer dieselbe Strecke fuhren, suchten in der Regel nach Bekannten aus ihrer Stadt oder ihrem Dorf, um sich mit einer Unterhaltung die Fahrzeit zu verkürzen.
    Morozows hartnäckige Kleinarbeit erbrachte einige Resultate. Es war ihm gelungen, zwei Männer zu finden, die die Jeremina in Begleitung irgendwelcher Rambos im Zug gesehen hatten.

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