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Der gestohlene Traum

Der gestohlene Traum

Titel: Der gestohlene Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Marinina
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Kostjukows Haus gefunden? Auch er hatte ganz offensichtlich niemanden nach dem Weg gefragt. Niemand hatte ihn und seinen potenziellen Begleiter gesehen, niemand erinnerte sich. Dafür hatte Jewgenij keine Erklärung. Trotzdem war er davon überzeugt, dass sich in dem Auto, nach dem er suchte, mindestens zwei Personen befunden hatten. Sofern sie tatsächlich mit dem Auto gefahren waren. Den Gedanken, dass sie womöglich den Zug genommen hatten, wollte Morozow gar nicht aufkommen lassen, denn er nahm ihm jede Hoffnung auf Erfolg.
    »Wen suchst du denn, Hauptmann?«, fragte man ihn bei einer Dienststelle der Straßenpolizei. »Vielleicht kennen wir ihn.«
    »Ich weiß selbst nicht, wen ich suche«, erwiderte Morozow mit einem schweren Seufzer. »Ich probiere einfach auf gut Glück, ihn zu finden.«
    »Du kennst nicht einmal seinen Namen?«
    »Nein.«
    »Auch die Automarke nicht?«
    »Nein, die auch nicht. Vielleicht sind sie hier vorbeigekommen, aber sie wurden offenbar kein einziges Mal angehalten.«
    »Tja, mein Junge«, sagte der Sergeant mitfühlend, »du bist nicht zu beneiden. Weißt du, was du machen könntest? Versuche es mal in der Umgebung von Ikscha. Die hatten dort Ende Oktober einen Zwischenfall, zwei Minderjährige sind aus der Strafkolonie geflohen, und man hat eine ganze Woche lang jedes Auto überprüft, bis man die beiden wiedergefunden hat. Wo ist der, den du suchst, denn hingefahren?«
    »Nach Jachroma.«
    »Dann muss er durch Ikscha gekommen sein. Wenn das in der bewussten Woche war, hat man ihn auf jeden Fall angehalten und die Personalien aufgenommen.«
    Morozow flog wie auf Flügeln nach Ikscha. Dort, dessen war er sich sicher, würde er endlich Glück haben. Aus der dort befindlichen Kolonie für minderjährige Straftäter waren am Freitag, dem 22. Oktober, zwei Insassen geflohen, die man nur noch sehr bedingt als Minderjährige bezeichnen konnte. Beide waren vor kurzem achtzehn Jahre alt geworden und warteten auf ihre Überführung in eine Kolonie für erwachsene Straftäter, wo sie den nicht geringen Rest ihrer Haftzeit verbüßen mussten. Beide waren wegen bewaffneten Raubüberfalls und Mordes verurteilt worden, in der Strafkolonie für Minderjährige hatten sie nicht einmal ein Jahr verbracht, und nun standen ihnen neun Jahre unter sehr viel härteren Bedingungen bevor. Ihre Flucht wurde offenbar außerhalb der Kolonie vorbereitet und organisiert. Die beiden entflohenen Häftlinge galten als gefährlich und gewalttätig, deshalb hatte die Miliz sofort nach ihrer Flucht den ganzen Ort umzingelt. Niemand hätte diese Absperrung unbemerkt passieren können. Aus zuverlässigen Quellen war bekannt, dass die Flüchtlinge sich im Umkreis von zehn Kilometern versteckt hielten, und als sie am fünften oder sechsten Tag nach ihrer Flucht versuchten, den Ort zu verlassen, wurden sie festgenommen.
    Am Abend desselben Tages lag vor Morozow eine ellenlange Liste mit den Namen von Autofahrern, die am 23. Oktober den Ort Ikscha in Richtung Jachroma passiert hatten. Nun musste er damit beginnen, die Spreu vom Weizen zu trennen.
    Nach Kostjukows Aussage war der Mann, der sein Haus gemietet hatte, am Nachmittag des 23. Oktober bei ihm erschienen. Demnach konnten aus der Liste all jene Wagen gestrichen werden, die sich vor zwölf Uhr mittags und nach sechs Uhr abends auf dem Weg nach Jachroma befunden hatten. Ferner entfielen LKW, Autos, in denen Familien mit Kindern oder Frauen unterwegs waren, außerdem Männer, die aufgrund ihres Alters nicht infrage kamen.
    Jewgenij war bis in die späte Nacht mit der Liste beschäftigt. Am Ende blieben sechsundvierzig Wagen mit insgesamt einhundertneunzehn Insassen übrig. Fünfundachtzig von ihnen stammten aus Moskau, und diese Personen wollte Morozow sich vor allen anderen vornehmen. Als die Kamenskaja aus Italien zurückgekommen war, hatte er bereits einen Hauptverdächtigen eingekreist. Einen gewissen Nikolaj Fistin, der in Moskau einen Jugendsportclub namens »Waräger« leitete. Dieser war an dem bewussten Tag in Begleitung des ebenfalls aus Moskau stammenden Alexander Djakow durch Ikscha gekommen. Da Jereminas Begleiter von den Augenzeugen, sowohl denen im Zug als auch denen aus Ozerki, als sportliche, durchtrainierte junge Männer beschrieben worden waren, war Morozow sich fast sicher, dass er eine heiße Spur entdeckt hatte. Auf jeden Fall lohnte es sich, der Sache nachzugehen. Am Montag, dem 19. Dezember, hatte er eine wichtige Verabredung mit einem Mann, der ihm

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