Der gestohlene Traum
die Metro, verließ sie an der Tschechowskaja und wollte sich auf den Weg zur Petrowka 38 machen. Doch noch bevor er seinen Fuß auf die Rolltreppe setzen konnte, hatte die Nachricht, dass Hauptmann Morozow Sascha Djakow suchte, die entsprechenden Leute bereits erreicht, und diese hatten die für sie notwendigen Konsequenzen daraus gezogen. Opa Nafanja finanzierte sich gewissenhaft sein geruhsames Alter. Im Gegensatz zu Morozow hatte er sich der neuen Generation der Kriminellen längst angepasst.
* * *
Arsenns kleine helle Äuglein versprühten Blitze. Er hatte von Anfang an gewusst, dass diese Sache kein gutes Ende nehmen würde. Nichts, aber auch gar nichts war nach Plan verlaufen, und das war jetzt das Resultat! Warum nur hatte er sich auf diese Geschichte eingelassen, warum nur!
Der erste Fehler bestand darin, dass er sich zu spät eingeschaltet hatte. Diejenigen, die die Dienste des Kontors nicht zum ersten Mal in Anspruch nahmen, wussten, dass es besser war, sich nicht erst nach der Verübung eines Verbrechens an Arsenn zu wenden, sondern nach Möglichkeit vorher. Das Kontor verfügte über erfahrene Berater, die genau wussten, was man tun musste, um danach möglichst wenig Druck auf möglichst wenig Leute ausüben zu müssen. Je weniger Arbeit, desto weniger Geld, aber dafür war auch das Risiko geringer, das hatte die Erfahrung eindeutig gezeigt. Deshalb nahm Arsenn immense Honorare für solche Konsultationen. Ideale Kunden befragten ihn nicht nur nach dem Wie, sondern auch nach dem Wann und Wo, sodass Arsenn in Übereinstimmung mit dem Dienstplan seiner Leute Zeit und Ort der Handlung festlegen und seine Leute entsprechend einsetzen konnte. »Arbeite prophylaktisch« war Arsenns Devise, und sie zahlte sich immer und in allem aus. Aber mit diesem Gradow hatte er sich zu spät eingelassen, zwei Morde waren bereits begangen, und dann stellte sich auch noch heraus, dass man das Mädchen vor seiner Ermordung eine ganze Woche in einem Haus auf dem Land gefangen gehalten hatte. Kurz, Gradows Leute hatten sehr unprofessionell gearbeitet und eine Menge Spuren hinterlassen, die selbst einem Blinden auffallen mussten. Die meiste Arbeit hatte man darauf verwenden müssen, diese Spuren wieder zu verwischen.
Arsenns zweiter Fehler hatte darin bestanden, dass er sich auf die Zusammenarbeit mit Gradows Leuten eingelassen hatte. Das hätte er nicht tun dürfen, er hätte seine eigenen Leute einsetzen müssen, anstatt die Sache den Bengeln zu überlassen, die Onkel Kolja für sich arbeiten ließ. Aber Gradow war geizig, er war habgierig, und das, was er Onkel Kolja bezahlen musste, stand in keinem Verhältnis zu den kolossalen Honoraren, die Arsenn verlangte. Um Geld zu sparen, war er auf Onkel Koljas Leute ausgewichen, und Arsenn hatte das zugelassen. Jetzt verfluchte er sich dafür.
Und Arsenn hatte noch einen dritten Fehler gemacht. Gradow hatte sich nicht nur einmal, sondern sogar zweimal darüber beklagt, dass er sich mit dem Kontor eingelassen hatte. Angeblich hatte er Verbindungen zu Leuten, die mit der Staatsanwaltschaft zusammenarbeiteten, und er hatte Arsenn deutlich zu verstehen gegeben, dass er besser daran getan hätte, sich an diese Leute zu wenden statt an Arsenns Kontor. Gleich beim ersten Mal hätte Arsenn ihm den Stuhl vor die Tür setzen oder, noch besser, eine entsprechende Lektion erteilen sollen.
Soeben hatte man Arsenn mitgeteilt, dass die Kamenskaja einen Anruf von ihrem Chef bekommen hatte, aus dem hervorging, dass Gradow irgendwelche zusätzlichen Hebel betätigt hatte, was bedeutete, dass er Arsenn den erfolgreichen Abschluss der Sache nicht zutraute. Eine Unverschämtheit ohnegleichen! Das gefährdete nicht nur die Sicherheit, sondern verletzte auch Arsenns Eigenliebe. Er wusste, dass er in einem solchen Fall sofort von dem Vertrag mit dem Klienten zurücktreten musste, er konnte ihm eine Abfindung bezahlen oder auch nicht und ihn für die Gefährdung der Sicherheit bestrafen, um anderen ein abschreckendes Beispiel zu geben. Auf jeden Fall war es höchste Zeit, aus dieser Sache auszusteigen, aber Arsenn musste sich eingestehen, dass das nicht so einfach war. Gradows eigenmächtiges Verhalten hatte zu unangenehmen Folgen geführt, die Welle der neuen Ereignisse hatte inzwischen die Kamenskaja erreicht, und jetzt musste man versuchen, sich ohne größeren Schaden aus der Affäre zu ziehen.
Die Kamenskaja war der Ansicht, dass sie von dem unter Druck gesetzt wurde, der die Jeremina umgebracht
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