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Der gestohlene Traum

Der gestohlene Traum

Titel: Der gestohlene Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Marinina
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ganz anders gelebt als Nikifortschuk. Schon im letzten Semester hatte er eine Kommilitonin geheiratet, ein hageres, brünettes Mädchen mit verlockenden kleinen Brüsten und großen Ansprüchen. Sie stammte aus einer sehr guten Familie und hatte einen sehr schlechten Charakter. Seit dem Zwischenfall im Wald mied Sergej instinktiv den klassischen russischen Frauentypus, füllige, hellhaarige, grauäugige weibliche Wesen mit runden Gesichtern. Er konnte sich nicht vorstellen, so eine Frau zu berühren, geschweige denn, mit ihr zu schlafen. Selbst schmal, hoch gewachsen, mit schönen, feinen Gesichtszügen, wählte er unter allen Anwärterinnen diejenige aus, die der russischen Schönheit Lena Lutschnikowa am wenigsten glich.
    Nikifortschuk, der schon seit seiner Kindheit mit Fremdsprachen vertraut war, hatte am Institut mit Begeisterung Holländisch gelernt, was ihm schließlich auch zu einer Stelle als Leiter der sowjetischen Außenhandelsstelle in den Niederlanden verhalf. Seine Frau war begeistert. Alles lief so, wie sie es sich erhofft hatte, als sie Arkadij heiratete. Bald wurde ihnen eine Tochter geboren.
    Doch die so glänzend begonnene Karriere begann plötzlich zu bröckeln. Arkadij betrank sich immer öfter und verfiel in Schwermut, er hörte traurige Musik und stellte Fragen nach dem Sinn des Lebens, nach Sünde, Schuld und anderem Unsinn. Seine Frau wurde nervös, sie wollte einen Diplomaten aus ihm machen und war der Meinung, dass er arbeiten, Empfänge besuchen und sich bei den entsprechenden Leuten beliebt machen musste, aber Stattdessen faulenzte er. Eines Tages betrank sich Nikifortschuk hemmungslos auf einem wichtigen Empfang, redete eine Menge Unsinn und machte sich lächerlich. Wir alle, meinte er hitzig, sitzen hier satt und zufrieden und tun so, als sei alles in bester Ordnung, in Wirklichkeit geht jeder von uns über Leichen und hat schwere Sünden auf sich geladen. Innerhalb der nächsten vierundzwanzig Stunden wurde er nach Moskau zurückbeordert. Von nun an durfte er das Land nicht mehr verlassen, Auslandsreisen konnte er für immer vergessen, weshalb seine Frau kurzerhand die Tochter nahm, das gesamte ersparte Vermögen und ohne eine Träne im Auge das eheliche Lager verließ. Das geschah im Jahr 1977. 1980 wurde Arkadij wegen Trunksuchts aus den Diensten der Außenhandelsstelle entlassen und landete als Übersetzer beim Progress-Verlag. Als seine Eltern ein Jahr später endgültig aus dem Ausland zurückkehrten, wurde sein Leben unerträglich. Er konnte sich keine eigene Wohnung leisten und musste sich täglich die Vorwürfe und Strafpredigten seiner Eltern anhören. Eine Weile hielt er aus, dann heiratete er eine Kellnerin und zog zu ihr. Sergej Gradow, seinen einst besten Freund, hatte er in diesen Jahren nur ein einziges Mal gesehen, auf einem Kommilitonentreffen, das 1983 stattfand, zehn Jahre nach dem gemeinsamen Abschluss des Studiums. Sie wechselten ein paar Worte miteinander, tauschten ihre Telefonnummern aus, Arkadij druckste noch ein wenig herum und verließ klammheimlich das Fest. Er hatte nichts, womit er sich hervortun konnte.
    Mit Zunahme der Auslandsgeschäfte verbesserte sich Arkadijs Lage ein wenig. Man begann, ihn als Dolmetscher bei mehr oder weniger seriösen Verhandlungen einzusetzen. Im Jahr 1991 fungierte er als Dolmetscher bei Verhandlungen mit irgendeinem holländischen Geschäftsmann. Der Holländer warf sofort ein Auge auf die attraktive Sekretärin Vika, die Kaffee und kalte Getränke servierte, und am Ende des offiziellen Teils lud er sie in ein Restaurant ein. Er bat Arkadij, ihn zu begleiten, da er sich ohne dessen Hilfe nicht mit dem Mädchen verständigen konnte. Im Restaurant sprachen alle drei ordentlich dem Alkohol zu, und anschließend nahm der Holländer die beiden mit in seine Luxussuite im Hotel. Während er sich mit Vika vergnügte, schlief Nikifortschuk auf dem Sofa im anderen Zimmer. Schließlich erschien der Holländer in der Tür und bot Arkadij mit einem müden Lächeln die Reste des Festmahls an. Arkadij verfluchte sich für seine Schwäche, aber das Mädchen war außergewöhnlich schön, er überwand seinen Selbstekel und nahm das Angebot an. Vika erinnerte ihn undeutlich an jemanden, er fragte sie nach ihrem Namen, in der Hoffnung zu erfahren, wann und wo er ihr begegnet sein könnte.
    Als er den Namen Jeremina hörte, zuckte er zusammen und erstarrte vor Entsetzen, aber er tröstete sich sofort mit dem Gedanken, dass es sich um einen weit

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