Der gestohlene Traum
Kenntnis setzen. Es ist schon fast ein Monat vergangen, und nichts ist passiert. Wir müssen nur noch bis zum dritten Januar durchhalten. Wenn sie bis dahin keine Spur finden, werden sie die Ermittlungen einstellen. Die Akte verschwindet im Safe, und dann wird sie mit Sicherheit niemand mehr hervorholen. Die Miliz ist völlig überlastet, niemand dort hat Zeit, in alten, eingestellten Verfahren herumzuwühlen.«
»Werden meine Jungs für irgendetwas gebraucht?«, fragte der, der Onkel Kolja genannt wurde.
»Im Fall des Falles sage ich Bescheid. Vorläufig sollen sie sich nicht mucksen. Gott bewahre, dass einer von ihnen der Miliz auffällt. Besonders dieser eine . . . wie heißt er gleich? Derjenige, der so gern schnelle Autos fährt.«
»Slawik?«
»Ja, genau der. Sag ihm, er soll sein Auto in der Garage lassen und mit der Metro fahren. Sonst wird er garantiert von der Miliz angehalten, dieser hirnlose Idiot.«
»Ich werde dafür sorgen, dass nichts passiert«, versicherte Onkel Kolja. »Gibt es sonst noch etwas?«
»Nein, nichts mehr. Sollte es etwas geben, werde ich Bescheid sagen.«
Arsenn warf einen Blick auf seine Armbanduhr und erhob sich. Seine Gesprächspartner taten es ihm nach, und alle drei verließen gemächlichen Schrittes die Bar. Onkel Kolja stieg in einen unscheinbaren Shiguli, der »englische Anzug« fuhr in einem beigefarbenen Wolga davon, und der alte, hagere Arsenn machte sich, fröstelnd in seinem leichten Mantel, auf den Weg zur nächsten Bushaltestelle.
VIERTES KAPITEL
Was führte die Menschen zusammen? Was ließ sie aneinander festhalten? Unüberwindbare Anziehungskraft oder einfach Bequemlichkeit?
Nastja hatte sich Andrej Tschernyschews Bericht über dessen Gespräch mit Olga Kolobowa, geborene Agapowa, angehört und konnte zu keinem Schluss kommen. Sprachen die neuen Fakten für Boris Kartaschow oder gegen ihn?
Als Vika Jeremina seinerzeit Kartaschows Wohnung renoviert hatte, hatte sie das nicht allein getan, sondern zusammen mit Olga Agapowa. Boris hatte beide Mädchen gleichzeitig kennen gelernt und sich sofort der hübschen Olga zugewandt, nachdem er zynisch erwogen hatte, dass die Schwindel erregend schöne Vika mit Sicherheit bereits vergeben war. Olga war einfacher gestrickt als Vika, sehr häuslich und ohne besondere Ansprüche. Zu Anfang war Boris sogar einmal der Gedanke gekommen, das nette, häusliche und anhanglose Waisenmädchen zu heiraten. Olga trank nicht, rauchte nicht und hätte ihm ohne weiteres einen gesunden, hübschen Sohn schenken können. Doch schon sehr bald veränderte sich die Situation. Die energische, selbstgewisse Vika mischte sich ein und zog Boris schier vor den Augen ihrer Freundin in ihr Bett. Boris verliebte sich ernsthaft in Vika, und die stille Olga zog sich ergeben zurück, längst gewöhnt daran, ihrer schönen Freundin den Vortritt zu lassen. Alles, was Kartaschow über das gemeinsame Teetrinken mit Vika und ihre Begeisterung für das Kochen erzählt hatte, war die Wahrheit, aber nicht die ganze.
Nach einiger Zeit lernte Olga Agapowa Wassja Kolobow kennen, und die beiden beschlossen zu heiraten. Aber die Spannungen zwischen Olga, Vika und Boris nahmen weiter zu. Die schöne, vom Glück begünstigte Vika war außer sich vor Wut, weil Olga, die von jeher in ihrem Schatten gestanden hatte, früher einen Mann zum Heiraten gefunden hatte als sie selbst. Olga litt schweigend unter ihrer unerfüllten Liebe zu Boris und wusste genau, dass sie Wassja nur heiratete, um verheiratet zu sein. Boris bereute seine Dummheit und Schwäche und verfluchte den Tag, da er sich gegen jede Vernunft dazu hinreißen ließ, Olga dringend von der Heirat mit Wassja abzuraten, denn schließlich hatte er immer gewusst, dass hinter alledem nicht nur die unerfüllbare Hoffnung auf eine Heirat mit ihm, Boris, stand, sondern auch Olgas dummer, kindlicher Wunsch, wenigstens ein einziges Mal im Leben die schöne Freundin zu übertrumpfen. Eine Woche vor der Hochzeit erschien Olga bei Kartaschow und sagte:
»Boris, mach mir ein Hochzeitsgeschenk . . .«
Und er machte seiner Ex-Geliebten das Geschenk, um das sie ihn bat. Er verbrachte mit ihr eine Woche voller glühender Leidenschaft.
»Wie ich mir wünsche, dass Vika das erfährt«, sagte Olga träumerisch, während sie sich wohlig im Bett rekelte. »Ich möchte, dass es ihr genauso wehtut, wie es mir wehgetan hat, als ich euch auf diesem Sofa erwischt habe.«
»Rede keinen Unsinn«, sagte Boris entsetzt. Er war nicht sehr
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