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Der gestohlene Traum

Der gestohlene Traum

Titel: Der gestohlene Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Marinina
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mutig, und die Aussicht, sich der ungezügelten, temperamentvollen Vika erklären zu müssen, war nicht gerade erfreulich für ihn.
    Dennoch riet er Olga sogar damals wieder, sich zu besinnen und Wassja Kolobow zu verlassen, solange es noch nicht zu spät war.
    »Wirst du mich heiraten?«, fragte Olga eines Tages. »Wenn du Vika den Laufpass gibst und mich heiratest, jage ich Wassja sofort zum Teufel.«
    Sie war auf dem Weg zur Arbeit, stand, bereits angezogen, vor dem Spiegel und trug Rouge auf ihre Wangen auf.
    »Ich gebe dir bis heute Abend Bedenkzeit«, sagte sie lächelnd. »Und falls du nein sagst, möchte ich von dir kein einziges böses Wort mehr über Kolobow hören. Hast du mich verstanden, mein Schatz?«
    Je näher der Abend kam, desto klarer wurde Boris, dass er nicht die Kraft haben würde, mit Vika Schluss zu machen. Wenn eine Beziehung von selbst zu Ende ging, war das etwas ganz anderes als der Versuch, ihr Ende bewusst und absichtlich herbeizuführen. Was sollte er Vika sagen? Ein Jahr lang war es gut mit dir, und jetzt ist es plötzlich schlecht geworden? Noch vor ein paar Tagen war alles in Ordnung, aber jetzt werde ich deine Freundin heiraten. Als du mich verführt hast, hatte ich nichts dagegen, weil du eine schöne Frau bist, aber im Laufe eines Jahres habe ich begriffen, dass du nicht die Richtige bist, weil man mit dir keine Familie gründen und keine Kinder haben kann. Purer Unsinn. Und was würde aus Vika werden, wenn er sie verließ?
    Vika und Boris blieben zusammen, und aus Olga Agapowa wurde Olga Kolobowa. Kartaschow hing auf seine Weise an der unberechenbaren, unbeständigen Vika, sie war für ihn wie ein Kind, auf das man ständig aufpassen musste und das ihm, wenn es nicht gerade Unsinn trieb, erstaunlich glückliche Momente voller Wärme, Güte und Zärtlichkeit schenken konnte. In gewisser Weise fühlte Boris sich sogar verantwortlich für seine Freundin, er hatte ständig Angst um sie und war fast zu Tränen gerührt, wenn er am Telefon ihre beschwipste Stimme hörte: »Boris, Liebster, mach dir keine Sorgen, mit mir ist alles in Ordnung.«
    Je schlechter das Verhältnis zwischen Olga und ihrem Mann wurde, desto besser wurde die Beziehung zwischen den Freundinnen. Vikas Wut verrauchte nach und nach, da sie begriff, dass ihre verheiratete Freundin nicht zu beneiden war, und Olga ihrerseits freute sich, dass Boris, obwohl er sie nicht geheiratet hatte, auch seine Beziehung zu Vika ganz offensichtlich nicht zu legalisieren gedachte. Gelegentlich, wenn Vika wieder einmal auf einer ihrer Sauftouren war oder mit einem ihrer Kunden verreiste, traf Boris sich mit Olga, ohne darin etwas Verwerfliches zu sehen. Er tröstete sich mit dem Gedanken, dass sie beide betrogen wurden. Olga von ihrem Mann und er von Vika. So zog sich das alles hin bis zu jenem Tag, an dem Vika verschwand . . .
    * * *
    »Sieh mal, was sich für ein Bild ergibt. Die Kolobowa ist bereit, ihren Mann wegen Kartaschow zu verlassen, aber Kartaschow kann sich nicht von Vika trennen, er hat keine Kraft dazu. Durch Vikas Tod wird alles einfacher, findest du nicht?«
    Nastja machte es sich auf der Bank bequem und holte ihre Zigaretten aus der Handtasche. Andrej Tschernyschew löste die Leine vom Halsband seines Hundes, befahl ihm streng, sich nicht weit zu entfernen, und wandte sich seiner Gesprächspartnerin zu.
    »Du glaubst, dass die Kolobowa in den Mord an ihrer Freundin verwickelt ist?«
    »Entweder sie oder Kartaschow oder beide. Sie haben die herzzerreißende Geschichte von Vikas psychischer Erkrankung erfunden, um damit ihr Verschwinden zu erklären. Warum nicht? Eine durchaus mögliche Version. Kolobowas Behauptung, sie habe am 22. Oktober spätabends noch mit Vika telefoniert, kann ebenfalls eine Lüge sein. Wir können das nicht überprüfen, da ihr Mann um diese Zeit nicht zu Hause war. Fragt sich nur, wo die Jeremina eine ganze Woche abgeblieben ist. Vom 23. bis 30. Oktober hat sie niemand mehr gesehen, und laut Gutachten wurde sie am 31. Oktober oder 1. November ermordet. Wir müssen genau überprüfen, wo Kartaschow und die Kolobowa in dieser Woche waren. Schritt für Schritt, buchstäblich Minute für Minute.«
    »Seitdem ist ein ganzer Monat vergangen«, sagte Andrej skeptisch. »Wer wird sich jetzt noch erinnern, wo und wann er die beiden gesehen hat, worüber gesprochen wurde. Unsere Chancen sind gleich null.«
    »Knüppelchen hat mir erlaubt, Mischa Dozenko einzusetzen. Der ist ein Meister in solchen Dingen.

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