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Der gestohlene Traum

Der gestohlene Traum

Titel: Der gestohlene Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Marinina
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schon.«
    »Und wo haben Sie sie getroffen?«
    »Natürlich in meinem Büro. Was glauben Sie, was passiert wäre, wenn meine Frau angerufen und mich nicht erreicht hätte? Sie hätte sofort die Scheidung eingereicht.«
    »Und was geschah weiter?«
    »Sie kam in mein Büro. Ich kann Ihnen sagen. . . Haben Sie dieses Mädchen schon einmal mit eigenen Augen gesehen? Es haut einen um. Ich schmolz natürlich sofort dahin und hätte ihr zuliebe noch einmal den ganzen Keller durchwühlt. Kurz, ich gab ihr Smeljakows Adresse, sie drehte den Zettel eine Weile hin und her und sagte schließlich, sie hätte Angst, allein dorthin zu fahren. Es sei ein fremder, abgelegener Ort, sie könnte sich verfahren. Ich habe den Wink mit dem Zaunpfahl natürlich sofort verstanden. Ich versprach ihr, mir von einem Freund ein Auto zu leihen und sie am Montag zu Smeljakow zu bringen. Wir machten aus, dass sie am Montag um zehn Uhr zu mir in die Redaktion kommen würde und wir von dort aus losfahren würden. Dann trennten wir uns.«
    »Und wie ging es weiter?«
    »Es ging überhaupt nicht mehr weiter. Sie kam nicht und rief auch nicht an. Ich habe nie wieder etwas von ihr gehört.«
    »Haben Sie nicht versucht, sie zu finden?«
    »Wozu hätte ich das tun sollen? Sie war nur als schöne Frau von Interesse für mich, und da sie sich nicht wieder meldete, musste ich davon ausgehen, dass mein Interesse einseitig war. Wozu hätte ich sie suchen sollen?«
    »War an diesem Samstag außer Ihnen noch jemand in der Redaktion?«
    »Ja, fünf bis sechs Leute.«
    »Hat jemand Vika in Ihrem Büro gesehen?«
    »Praktisch alle. Ich habe mich im Gemeinschaftsraum mit ihr unterhalten, dort wird Tee getrunken, geplaudert und geraucht.«
    »Haben Sie bemerkt, dass jemand besonderes Interesse an Ihrer Besucherin zeigte?«
    »Sie stellen vielleicht Fragen!«, lächelte der Redakteur. »Ich glaube, kein einziger Mann könnte gleichgültig an dieser Frau vorübergehen. Alle Mitarbeiter männlichen Geschlechts, die den Raum betraten, standen sofort stramm und versuchten, sie kennen zu lernen. Etwas Besonderes habe ich nicht bemerkt, alle haben sich gleich verhalten.«
    »Sergej, Sie müssen jetzt nachdenken und versuchen, sich an zwei Dinge zu erinnern. Welcher Samstag war das genau, und wer von Ihren Kollegen hat Vika an diesem Tag gesehen? Kriegen Sie das hin?«
    Bondarenko legte die Stirn in Falten, rieb sich die Schläfen und nippte an der Tasse mit dem starken heißen Tee. Schließlich sah er Andrej verstört an.
    »Ich weiß es nicht mehr. Ich habe keine Anhaltspunkte. Ich weiß nur noch, dass es ein Samstag war, aber das Datum . . . Es könnte Ende Oktober gewesen sein, aber auch Anfang November.«
    »Am fünfundzwanzigsten Oktober ist Kosarj ums Leben gekommen«, erinnerte ihn Tschernyschew.
    »Tatsächlich?«, rief Sergej aus. »War das wirklich am fünfundzwanzigsten Oktober? Ja, sicher, am vierten Dezember waren es vierzig Tage, und wir haben uns versammelt, um seiner zu gedenken, wie es sich gehört. Das Mädchen habe ich getroffen, bevor Valentin . . . bevor man ihn . . . Kurz, es war vorher.«
    »Demnach muss es am dreiundzwanzigsten Oktober gewesen sein«, sagte Andrej nach einem Blick in seinen Taschenkalender.
    Mit den Namen der Kollegen, die an jenem Samstag im Büro gewesen waren, sah es schon schlechter aus. Schließlich kamen nicht jeden Samstag dieselben Leute in die Redaktion. Bondarenko erinnerte sich nur an zwei von ihnen, hinsichtlich der anderen hatte er Zweifel. Aber auch zwei waren schon etwas. Und da man nun das genaue Datum hatte, konnte man versuchen, mit Hilfe der beiden genannten Personen auch die anderen zu ermitteln.

ZEHNTES KAPITEL
    Der Gesichtsausdruck von Oberst Gordejew hatte sich verändert. In den letzten Wochen hatte er niedergeschlagen und abwesend gewirkt, gleichgültig gegenüber allem, oft hatte er über Kopfschmerzen und Herzprobleme geklagt. Aber heute bemerkte Nastja, dass in seinen zuletzt so ausdrucklosen Augen wieder etwas funkelte, dass die alte Leidenschaft in sie zurückgekehrt war. Der Jäger wittert das Wild, dachte Nastja.
    Im Laufe des gestrigen Tages und des heutigen Morgens hatte Viktor Alexejewitsch Unmögliches vollbracht. Es war ihm gelungen, eine Menge über jenen Parteiboss zu erfahren, auf dessen Anweisung im Jahr neunzehnhundertsiebzig die Namen der beiden Studenten, die sich zur Tatzeit am Tatort befunden hatten, aus der Strafakte von Tamara Jeremina verschwunden waren.
    Alexander Alexejewitsch

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