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Der gestohlene Traum

Der gestohlene Traum

Titel: Der gestohlene Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Marinina
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ihr ins Gesicht, die Hände wurden feucht. Sie griff zum internen Telefon.
    »Viktor Alexejewitsch, sind Sie allein?«
    »Ja. Was ist los?«
    »Ich komme gleich bei Ihnen vorbei.«
    Im Büro ihres Chefs musste sie erst einmal schlucken. Vor Aufregung blieb ihr die Stimme weg, sie brachte nur ein heiseres Flüstern hervor.
    »Haben Sie mir die Adresse genannt, unter der dieser Mann wohnt, der den Waräger-Club leitet?«
    »Ja, habe ich. Ich habe dir den gesamten Observationsbericht vorgelesen.«
    »War es Federatiwnyj-Prospekt 16, Block 3?«
    »Bist du gekommen, um mir einen Beweis deines phänomenalen Gedächtnisses zu liefern?«
    »Unter dieser Adresse wohnt ein gewisser Sergej Alexandrowitsch Gradow, geboren neunzehnhundertsiebenundvierzig.«
    Knüppelchen lehnte sich im Sessel zurück, nahm die Brille ab und schob das Ende eines Bügels in den Mund. Dann erhob er sich langsam von seinem Stuhl und begann, im Raum auf und ab zu gehen, zuerst langsam, dann immer schneller und schneller, wie ein Gummiball bewegte er sich um den langen Konferenztisch und schob die Stühle zur Seite, die ihm im Weg standen. Je länger dieser Auftritt dauerte, desto glänzender wurden seine Augen, seine Glatze färbte sich rosig, und sein Mund presste sich immer fester zusammen. Endlich hielt er inne, ließ sich in den Sessel am Fenster fallen und streckte seine kurzen Beine aus.
    »Diesen Gradow übernehme ich, mit dem wirst du nicht fertig. Ich werde in Erfahrung bringen, wer und was er ist, und mich selbst mit ihm treffen. Du hast die Aufgabe, dir Gedanken darüber zu machen, wovor er so große Angst hat. Der Grund dafür kann natürlich nicht darin liegen, dass er vor einem Vierteljahrhundert Zeuge eines Verbrechens wurde. Hier ist noch etwas anderes im Spiel. . . Nein, ich habe es mir anders überlegt. Ich werde mich weder mit Gradow noch mit dem alten Popow treffen. Wir werden es anders machen, ganz anders.«
    »Sind Sie sich absolut sicher, dass dieser Gradow der ist, den wir suchen?«
    »Hör auf zu kokettieren, Nastja, du bist dir selbst sicher, sonst hättest du nicht so einen Aufstand wegen dieser Adresse gemacht. Aber bis zum Abend werde ich es genau wissen. Es ist ganz einfach, das herauszufinden. Sag mir lieber, ob du schon einmal gehört hast, dass in einem eingestellten Verfahren ermittelt wurde.«
    »Laut Gesetz . . .«, begann Nastja, aber Gordejew unterbrach sie.
    »Wie es laut Gesetz ist, weiß ich genauso gut wie du. Ich frage nach der Praxis.«
    »Wenn ein Verfahren eingestellt wird, weil der Fall nicht aufgeklärt werden konnte, legt man die Akte in den Safe oder bringt sie ins Archiv, man atmet erleichtert auf und versucht, die Sache zu vergessen, wie einen Albtraum. Gelegentlich kommt es zur Wiederaufnahme eines Verfahrens, weil der Täter wegen eines anderen Verbrechens verhaftet wird und plötzlich damit beginnt, alte Sünden zu beichten. Es kann auch andere Gründe geben, aber fast immer ist es Zufall oder Glück.«
    »Richtig. Ein eingestelltes Verfahren interessiert niemanden mehr. Deshalb werde ich mich sofort mit Olschanskij in Verbindung setzen und ihn bitten, das Verfahren im Mordfall Jeremina einzustellen, sobald die vom Gesetz vorgeschriebene Zweimonatsfrist verstrichen ist.«
    »Das heißt, dass wir noch eine ganze Woche warten müssen. . .«, sagte Nastja unzufrieden.
    »Das macht nichts, denn ich werde sofort dafür sorgen, dass jeder, den es etwas angeht, von der bevorstehenden Einstellung des Verfahrens erfährt. Verstehst du, worauf ich hinauswill?«
    »Ja, natürlich. Ich fürchte nur, dass Olschanskij nicht mitmacht. Er ist ein Prinzipienreiter und wird sich dagegen sperren, ein Verfahren einzustellen, in dem noch die Chance zur Aufklärung des Falles besteht.«
    »Du unterschätzt Kostja. Er ist ein Grobian, das weiß ich, er trägt immer schmutzige Schuhe und zerknitterte Anzüge. Aber er ist ein sehr kluger Mensch und Untersuchungsführer.«
    »Aber er kann es nicht ausstehen, wenn andere für ihn entscheiden. Er ist versessen auf seine Autonomie als Untersuchungsführer.«
    »Ich habe auch nicht vor, seine Autonomie anzugreifen. Er wird die Entscheidung selbst treffen. Denk nicht, dass er dümmer ist als wir beide.«
    Viktor Alexejewitsch rieb sich zufrieden die Hände und zwinkerte Nastja zu.
    »Warum lässt du die Flügel hängen, Mädchen? Denkst du, dass wir es nicht schaffen? Keine Angst. Selbst dann, wenn wir es wirklich nicht schaffen sollten, werden wir eine nützliche Erfahrung

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