Der gewagte Antrag
Vergnügt machte sie dann Morgentoilette, wählte mit Bedacht ein dunkelgrünes Samtkleid, dessen tiefangesetztes Dekolleté von einem hauchzarten, spitzengesäumten Mouchoir bedeckt war, und ließ sich von der Zofe ankleiden.
Zu erregt, um frühstücken zu können, begab sie sich gleich in ihr Arbeitszimmer. Als die Tante sich erkundigte, ob sie benötigt würde, erklärte sie ihr, bei der anstehenden Besprechung sei ihre Anwesenheit nicht erforderlich und sie möge bitte im Türkischen Salon warten. Mr. Bancroft, der ihr nur wenige Minuten später die Aufwartung machte, schickte sie mit der Bemerkung in das Vorzimmer, sie werde ihn rufen lassen, sobald sie seiner bedurfte. Dann legte sie die mitgebrachten Dokumente auf dem Schreibtisch zurecht und harrte ihrer Berater.
Sie erschienen pünktlich auf die Minute und wirkten alle sehr ernst, als hätten sie den Anlass dieses Treffens geahnt.
Morgens war Chad bei einem Blick in den Spiegel plötzlich eingefallen, dass er sich schon einmal in einem ähnlichen betrachtet hatte. Allerdings hatten die obere Mitte des vergoldeten Rahmens zwei Adler mit ausgebreiteten Schwingen gekrönt. Damals hatte er sich das Cachenez gebunden und zu jemandem, den er nicht erkennen konnte, gesagt: “Es sieht wie ein Wasserfall aus.” Solche Erinnerungsfetzen irritierten ihn, denn sie waren vollkommen zusammenhanglos, überfielen ihn jäh und brachen ebenso abrupt ab. Diesmal hatte es ihn besonders verwirrt, da er sich seiner einer prachtvollen Umgebung entsonnen hatte und sich nicht erklären konnte, wie das möglich war.
“Mit Verlaub, Mylady, heute ist nicht unser üblicher Beratungstag”, wandte John Henson sich in leicht vorwurfsvollem Ton an sie.
“Ich weiß”, erwiderte sie lächelnd. “Aber heute wird für niemanden ein gewöhnlicher Tag sein. Ich habe Sie zu mir gebeten, um Ihnen mitzuteilen, dass ich den mir so häufig erteilten Rat nunmehr befolgen werde.”
Da die Countess of Malplaquet innegehalten hatte und schwieg, fragte John: “Und auf was beziehen Sie sich, Madam?”
“Oh, seit ich die Herrin von Campions bin, gab es nur einen Punkt, in dem Sie alle einmütiger Meinung waren.” Sie machte erneut eine Pause, damit die nachfolgenden Worte besonders wirkten und jeden wie einen Schlag trafen. “Ich habe mich entschlossen zu heiraten”, fuhr sie nach einem Moment fort und merkte, dass Chads Miene sich von einer Sekunde zur anderen veränderte. Bestimmt nahm er an, dass er sie nun verloren hatte. Es war nicht verwunderlich, wenn er glaubte, sie sei nach York gefahren, um mit irgendjemandem eine Vernunftehe abzusprechen, nur um der Versuchung zu widerstehen, der sie beide sich ausgesetzt sahen. Im Stillen musste sie bei diesem Gedanken lächeln.
John nahm für sich in Anspruch, für die anderen zu reden, und sagte daher: “In unserer aller Namen entbiete ich Ihnen, Madam, die herzlichsten Glückwünsche. Wir begrüßen Ihre an sich längst überfällige Entscheidung und gehen davon aus, dass bald der eine oder andere Bewerber um Ihre Hand hier zu Gast sein wird.”
“Nein, Sie irren sich”, entgegnete Elinor schmunzelnd. Sie fand die Sache erheiternd, auch wenn für Chad nichts Belustigendes daran war. “Ich habe bereits beschlossen, wen ich zum Gatten nehme.”
“Hoffentlich nicht doch Ihren Cousin, Madam”, warf Stuart unbehaglich ein und spürte, dass die Röte ihm ins Gesicht stieg. “Nicht nach allem, was der Konstabler uns über ihn berichtet hat. So unklug können Sie nicht sein!”
“Nein, Ulric ist nicht der Mann meines Herzens”, sagte Elinor beschwichtigend. “Ihn würde ich Campions und Ihnen allen nie und nimmer aufdrängen. Es ist auch niemand, den ich in York kennengelernt habe. Es trifft jedoch zu, dass ich zur Vorbereitung meiner Eheschließung in der Stadt war.” Sie hielt inne, schaute die Herren der Reihe nach an und ließ zum Schluss den Blick auf Chad verweilen. Er hielt ihm stand, sodass sie sekundenlang das Gefühl hatte, mit ihm im Raum allein zu sein.
“Ich habe das Recht”, fuhr sie ruhig fort, “mir den Gemahl selbst zu bestimmen, da ich dem Gesetz nach in derselben Position bin, wie ein Earl of Malplaquet es wäre. Folglich steht es mir zu, eine mir gefällige Ehe einzugehen, die auch für Campions zum Wohl ist, und wie ein Mann meinem Auserwählten einen Heiratsantrag zu machen. Ich habe entschieden, dass ich im Hinblick auf die für diesen Herrn empfundene Zuneigung, angesichts seiner Fähigkeiten und der in
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