Der gewagte Antrag
getäuscht haben. Aber Sie sollten sich fragen, warum Sie sich innerlich dagegen sträuben, sich Ihre wahre Identität einzugestehen. Sie sind ein Mann von ausgeprägtem Selbstwertgefühl. Das ist unübersehbar.” Schmunzelnd nickte Cully Mr. Newcome zu und verließ die Reithalle.
Elinor hatte überlegt, wie sie dem Konstabler ihr Ansinnen nahebringen solle. Als er sie nach dem Frühstück in ihrem Arbeitszimmer aufsuchte, kam sie zu der Erkenntnis, es sei besser, keine Umschweife zu machen und gleich zum Kern der Sache zu kommen. Sobald er sie begrüßt und ihr einen guten Morgen gewünscht hatte, sagte sie entschlossen: “Ich habe eine Aufgabe für Sie, Mr. Jackson. Es ist Ihnen bekannt, dass Mr. Newcome in absehbarer Zeit Campions verlassen wird. Da er das Gedächtnis verloren hat, befürchte ich, dass er in Schwierigkeiten geraten könnte. Ich beauftrage Sie daher, ausfindig zu machen, woher er kam, bevor er halbverhungert und verletzt im Moor aufgefunden und hergebracht wurde. Diese Auskünfte können Sie einholen, wenn Sie anlässlich der Ermittlungen über das auf mich verübte Attentat in London sind.”
“Selbstverständlich, Madam”, erwiderte Cully reglosen Gesichtes. “Ich werde Ihrem Wunsch entsprechen.”
“Ich gebe Ihnen diese Anweisung ohne Mr. Newcomes Wissen, wie ich betonen möchte, und erwarte, dass er nichts davon erfährt.”
“Natürlich nicht, Madam!”, sagte Cully verständnisvoll. “Ich werde Sie in vollem Umfang über das Ergebnis meiner Erkundigungen informieren, was immer sie erbringen sollten.”
“Das erwarte ich von Ihnen”, erwiderte Elinor ernst.
Jackson verabschiedete sich und verließ das Arbeitszimmer. Er begriff sehr gut, warum Mr. Newcome und alle anderen Bediensteten die Countess of Malplaquet gern hatten, und nahm sich vor, unter allen Umständen denjenigen aufzuspüren und dingfest zu machen, der ihr nach dem Leben trachtete.
Elinor kam sich vor, als habe sie Chad durch den Jackson erteilten Auftrag hintergangen. Ihr bangte ein wenig davor, was der Konstabler herausbekommen würde. Aber im Krieg und in der Liebe waren alle Mittel gerechtfertigt, und nur Gott und sie selbst wussten, wie sehr sie Chad Newcome liebte.
10. KAPITEL
G uy konnte sich nicht entsinnen, wann er sich zum ersten Male ernstlich Sorgen um den Bruder gemacht hatte, seit Charles nach Schottland abgereist war. Mittlerweile wunderte es ihn jedoch, dass er bisher immer noch nichts von ihm gehört hatte. Ehe Charles in die Kutsche stieg, hatte er ihm versprochen, sich brieflich bei ihm zu melden, zwar nicht umgehend, doch zumindest dann, wenn er in Glen Ruadh heimisch geworden war.
Inzwischen war viel Zeit vergangen, ohne dass Guy ein Schreiben von Charles' Hand erhalten hatte. Selbst wenn er anfänglich über das Schweigen des Bruders nicht sonderlich erstaunt gewesen war, hatte er sich doch zu fragen begonnen, warum auch in der Folge keine Nachricht eintraf. Gewiss, Charles war durch den endgültigen Bruch mit dem Vater sehr verletzt gewesen, musste die Enttäuschung indes längst verwunden haben. Außerdem wusste er, wie sehr der jüngere Bruder an ihm hing. Natürlich war es vorstellbar, dass Charles alle Brücken hinter sich abgebrochen hatte und auch ihn, Guy, in seine Abneigung einbezog. Guy fiel es indes sehr schwer zu glauben, dass Charles auch von ihm nichts mehr wissen wollte.
Gegen Jahresende war seine Unruhe so groß geworden, dass er von sich aus an Charles geschrieben hatte. Seltsamerweise hatte er keine Antwort erhalten. Er schickte einen weiteren Brief nach Glen Ruadh, der gleichfalls unbeantwortet blieb. Verzweifelt hatte er einen dritten Versuch unternommen und Charles wissen lassen, sein Verhältnis zu ihm sei ungebrochen.
An einem stürmischen Märztag war endlich ein Schreiben des schottischen Verwalters abgegeben worden, aus dem hervorging, es seien so viele Briefe für Seine Lordschaft angekommen, dass er sich schließlich genötigt gesehen hatte, sie zu öffnen. MacDougal hatte weiterhin geschrieben, dass Lord Halstead bisher nicht in Glen Ruadh gewesen sei.
Der Brief war volle zwei Monate unterwegs gewesen. Ein zweiter, den MacDougal vor zwei Wochen abgeschickt hatte, war an diesem Tag in Guys Hände gelangt. Der Verwalter berichtete, Seine Lordschaft weile nach wie vor nicht in Glen Ruadh, und ersuchte um Rat, wie er sich hinsichtlich der Angelegenheiten des Viscount verhalten solle.
Guy starrte auf die Zeilen und spürte das Blut aus den Wangen weichen. Es war
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