Der gewagte Antrag
verzeihen, wenn ich …”
Elinor verschloss ihm den Mund mit einem Kuss. “Ich bin sicher, dass ich dir nichts zu verzeihen habe”, sagte sie dann zärtlich und bot ihm wieder die Lippen dar. Seine Küsse und die wundervollen Liebkosungen entfachten ihr Verlangen, und mehr und mehr verlor sie sich in den Rausch der Sinne. Sie war nicht mehr imstande, sich zu zügeln, denn endlich erfüllte sich ihre seit der Begegnung im Bücherkabinett nur mühsam unterdrückte Begierde und die brennenden Wünsche, die sich durch die Tag für Tag aufs neue notwendig gewesene Zurückhaltung gesteigert hatten. “Jetzt gehörst du mir, Chad”, wisperte sie selig. “Nun sind wir eins, und das war alles, was ich mir ersehnt habe.”
12. KAPITEL
A lles war anders, und doch hatte nichts sich geändert. Chads Bureau stand immer noch neben Elinors Schreibtisch, und er arbeitete nach wie vor an ihrer Seite. Doch jetzt war er nicht mehr ihr Sekretär, sondern ihr gleichberechtigter Gatte. Der Kronrat versammelte sich, wie zuvor, einmal in der Woche, und Chad gehörte dazu. Aber mittlerweile war er derjenige, auf dessen Rat Elinor am meisten hörte. Selbst der Verwalter hatte widerstrebend zugeben müssen, dass Mr. Newcome viel Scharfsinn bewies.
John Henson hatte befürchtet, dass der Gatte der Countess of Malplaquet sich nach der Hochzeit in dreister, anmaßender Form in Campions Belange einmischen würde, doch zu seinem Erstaunen und seiner großen Erleichterung war das nicht der Fall. Mr. Newcome hatte nur nach und nach und in äußerst zurückhaltender Form verschiedene das Gestüt und die allgemeine Verwaltung betreffende Verbesserungsvorschläge unterbreitet, die sehr sinnvoll und von hohem Nutzen gewesen waren. Campions war, wie sich gezeigt hatte, in den besten Händen.
Chad hatte, nachdem die Rechnungsbücher der seiner Gemahlin gehörenden übrigen Güter von ihm überprüft worden waren, zu bedenken gegeben, sie verbringe zu viel Zeit in Campions, und angeregt, sie solle Wroxton, Sheveborough und die in Wales gelegenen Ländereien besuchen, damit die dortigen Angestellten und Pächter sie wenigstens einmal im Jahr zu Gesicht bekamen. Zunächst hatte sie diesen Gedanken abgelehnt, nach einigem Hin und Her jedoch eingewilligt, ihre anderen Besitzungen zu bereisen. Der Hinweis, dass dort nicht alles zum Besten stand und einige der nie beaufsichtigten Verwalter offenbar in die eigene Tasche wirtschafteten, hatte sie und Mr. Henson überzeugt.
Es hatte John allerdings verstimmt, dass nicht er auf diesen Einfall gekommen war.
Verständlicherweise hatte die Hochzeit in der Öffentlichkeit enormes Aufsehen erregt, doch Elinor und ihr Mann ertrugen den Skandal mit Gleichmut. Elinors Onkel war offenbar nicht daheim gewesen und hatte die Nachricht von der Vermählung seiner Nichte vermutlich erst nach der Rückkehr erhalten. Ulric Tallboys hatte der Cousine einen kaum leserlichen Brief geschickt, aus dem hervorging, er weile bei seiner Mutter in Irland zu Gast und wisse nicht, wann er heimkehren würde. Elinor war überzeugt, dass er unverzüglich kam, sobald die Neuigkeit ihn erreicht hatte.
Vierzehn Tage nach der Trauung saß Elinor in ihrem Arbeitszimmer und hörte plötzlich eine Kutsche vor dem Portal vorfahren. Einige Minuten später meldete der Butler ihr die Ankunft ihres Onkels und fügte hinzu, er habe ihn in den Türkischen Salon gebeten. Seufzend erhob sie sich und verließ den Raum. Sie war nicht begeistert über Sir Chesneys Anwesenheit, da sie ahnte, was ihr bevorstand.
Er stand vor dem Fenster und drehte sich um, als sie den Salon betrat. “Ich erwartete von dir zu hören”, sagte er schroff, “dass die mir zu Ohren gekommene Geschichte über deine Hochzeit nicht stimmt! Nell, du kannst unmöglich deinen Reitknecht geheiratet haben!”
Sie gab sich den Anschein, den Besuch des Baronet als etwas Normales zu betrachten, hauchte Sir Chesney einen Kuss auf die Wange und erwiderte dann ruhig: “Nicht meinen Reitknecht, Onkel, sondern meinen Sekretär.”
“Du weißt genau, dass da kein Unterschied besteht”, entgegnete Chesney barsch. “Wie konntest du dich so erniedrigen? Was hätte dein Großvater dazu gesagt? Du hast offenbar keine Ahnung, wie die Gesellschaft auf die Neuigkeit von der Trauung reagiert hat. Diese Ehe kann nicht bestehen bleiben!”
“Ich bin und bleibe verheiratet”, sagte Elinor fest. “Und außerdem bin ich glücklich. Chad ist ein guter Mensch. Selbst Henson ist dieser
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