Der gewagte Antrag
und die anderen höhergestellten Bediensteten. Sie verneigten sich vor ihr oder knicksten, ganz so, als stünde sie im Begriff, den angesehensten Duke des Landes zum Gemahl zu nehmen und nicht einen ehemaligen Reitknecht.
John, der sich ungeachtet seiner Vorbehalte gegen diese Ehe wie immer zum Sprecher der anderen machte, begrüßte sie und sagte: “Mylady, wenn es Ihnen recht ist, kann die Zeremonie nun beginnen. Der heute Morgen eingetroffene Vikar und der Bräutigam befinden sich in der Kapelle, Ring und Bibel liegen bereit. Gestatten Sie, dass ich Ihnen den Arm reiche und Sie zum Altar geleite.”
Er verneigte sich ein weiteres Mal, doch als er sich aufrichtete, sah Elinor in seinen Augen einen Ausdruck, den die Tante morgens in Worte gefasst hatte. Er schien ihr sagen zu wollen, dass es noch nicht zu spät sei. “Sie kennen den Weg, Mr. Henson”, erwiderte sie unbefangen. “Heute ist es Ihr Privileg, mich dem Bräutigam zu übergeben, damit das Geschlecht der Tallboys nicht mit mir ausstirbt.” Sie war überzeugt, dass ihr Vetter nie für Nachkommen sorgen würde.
An der Seite des Verwalters schritt sie, gefolgt von den anwesenden Angestellten, durch das große Haus, vorbei an allem, was ihr seit der Kindheit vertraut war, und den übrigen Domestiken, die ihr Glückwünsche entboten. Schließlich gelangte sie in das Gewölbe vor der Kapelle, wo weitere Bedienstete ihrer harrten, und betrat den heiligen Ort. Hinter ihr nahmen die zur Trauung Geladenen die Plätze ein, und vor sich erblickte sie den Stallmeister, der in seiner nur zu besonders feierlichen Anlässen getragenen Livrée prachtvoll aussah. Es war auf nichts verzichtet worden; alles hatte den festlichen Rahmen, der dem Anlass gebührte. Und neben Aisgill stand Chad, in einem schwarzen Galafrack, der einst ihrem Großvater gehört hatte. Langsam ging Elinor auf ihn zu, hielt an seiner Seite an und empfand plötzlich, obgleich sie sonst so couragiert war, unerklärliche Nervosität.
Auch Chad spürte eine ihm ungewohnte Unruhe, als Elinor neben ihn trat. Er besaß nichts, hatte nur einen ihm in Campions gegebenen Namen, kein Vermögen, aber die von Henson erwähnten vielfältigen Talente.
Elinor fasste sich etwas. Sie wusste, sie hatte einen Mann gefunden, der sie liebte und sich, obwohl er sie in der Bibliothek wie eines der Dienstmädchen hätte besitzen können, Zurückhaltung auferlegt hatte. Sie liebte ihn leidenschaftlich und konnte ihn respektieren, denn er war entschlossen gewesen, sie zu verlassen, damit kein Schatten auf ihre Ehre fiel.
Die Zeremonie begann, und der Vikar forderte jeden dazu auf, sich zu melden, der Einspruch gegen diese Ehe zu erheben gedachte. Schweigen folgte seinen Worten, und als er das Brautpaar dann fragte, ob sie sich zu Mann und Frau nehmen wollten, antworteten sie mit einem festen Ja.
Chad schob Elinor den Trauring der Tallboys auf den Finger, und der liebevolle Blick, mit dem er sie dabei bedachte, zeigte ihr alles, was sie wissen wollte.
Nach der feierlichen Handlung begab das frischvermählte Paar sich zum Diner in den prachtvoll dekorierten Bankettsaal und nahm die Glückwünsche der Angestellten entgegen. Es waren keine fremden Gäste geladen, denn dies war ein Festtag, an dem ausschließlich die Bediensteten von Campions teilhaben sollten. Der Butler brachte einen Toast auf das junge Paar aus, und alle Anwesenden stimmten fröhlich ein.
Elinor und ihr Gemahl kamen kaum zum Essen, und bald hatte sie das Gefühl, ihr Lächeln müsse gefroren wirken. Irgendwann im Verlauf des Nachmittags verließ sie Hand in Hand mit Chad den prächtig geschmückten Raum und schlenderte in den Park. Das Wetter war schön, und gemeinsam schauten sie hinüber zum Moor, wo Chad in seinem verwirrten Zustand aufgefunden worden war. Und nun war er an ihrer Seite Herr über Campions und alle anderen Güter.
Doch noch immer konnten Elinor und er sich nicht in ihre Gemächer zurückziehen. Die Pächter trafen ein und wünschten der Countess und ihrem Gatten Glück. Das Fest schien kein Ende zu nehmen, bis es endlich Abend wurde und Elinor sich, zum ersten Male mit Chad allein, im glanzvoll geschmückten Speisezimmer zu Tisch begab.
Er umarmte sie, küsste sie auf die Wange und sagte zärtlich: “Das war eine Verheißung für später, Mrs. Newcome.” Nachdem er sie zu ihrem Stuhl geleitet und ihr gegenüber Platz genommen hatte, läutete sie, und die Lakaien trugen die Speisen auf. Elinor und Chad waren zu diesem Souper
Weitere Kostenlose Bücher