Der Gipfel - Tragoedie am Mount Everest
den Aufbau der Lager und den Transport der Vorräte. Die anfallenden Arbeiten waren diesmal besonders umfangreich, da wir die ersten auf der Route waren und die Hilfe anderer Sherpas wegfiel. Apa war darüber genauso unglücklich wie ich. Es zeigte sich, daß unsere Helfer allein die Leistung nicht erbringen konnten, die nötig war, um dem Team den stetigen Aufstieg in immer größere Höhen zu ermöglichen.
Mir war klar, wieviel ich Apa zumutete, aber die begrenzten Fähigkeiten und die mangelnde Erfahrung seiner Leute bremsten unsere Fortschritte sehr stark. Ich hatte beabsichtigt, unser Kletterteam im Zug der aktiven Akklimatisation am Südsattel übernachten zu lassen und bis zu einer Höhe von 8200 Meter aufzusteigen. Ebenso hatte ich auf 8500 Meter ein zusätzliches Höhenlager geplant, um eventuellen Problemen, die sich aufgrund eines verlangsamten Abstiegs oder eines Wettersturzes ergeben konnten, zu begegnen. Angesichts der kleinen Meuterei, zu der es unter den Sherpas gekommen war, mußte ich diesen Plan fallenlassen. Als Kompromiß half ich Apa beim Anbringen der Fixseile von Lager III zum Gelben Band auf 7500 Meter. Am 8. April stiegen wir mit acht Teammitgliedern bis zum Gelben Band auf und kehrten zum Lager III zurück. Dort verbrachten wir die Nacht und stiegen am 9. April zum Basislager ab.
Allmählich machten sich Unterschiede in Leistung und Kondition der Expeditionsteilnehmer bemerkbar, da Höhe und Anstrengung eine natürliche Selektion darstellen. So waren die Zivilisten unter den Kletterern weniger motiviert und nicht so auf das Ziel konzentriert wie die Berufssoldaten, von denen sich nun drei trotz ihres Mangels an Erfahrung als die stärksten Kandidaten für das Gipfelteam profiliert hatten. Sie bewegten sich auch weiterhin relativ leicht und verkrafteten die Höhe problemlos. Und ihr Ehrgeiz, auf den Gipfel zu kommen, war ungebrochen. Beim Abstieg stellten wir einen weiteren Leistungsabfall der übrigen Teammitglieder fest, während unsere drei Top-Leute den direkten Abstieg von Lager III zum Basislager ohne erkennbare Schwierigkeiten meisterten. Die drei waren Misirin Serjan, einunddreißig, Asmujiono Prajurit, fünfundzwanzig, und Iwan Setiawan Letnan, neunundzwanzig. In Anbetracht der ständig nachlassenden Sherpa Mithilfe und der unterschiedlichen körperlichen Verfassung und Leistung der Mannschaft waren Bashkirov, Vinogradski und ich entschlossen, den Gipfel mit einem Dreier-Team und drei Sherpas in Angriff zu nehmen und alle gesunden und einsatzfähigen Sherpas als Unterstützung heranzuziehen.
Wir kehrten am 9. April für eine Ruhewoche ins Basislager zurück. Da ich nach wie vor überzeugt bin, daß sich vor einem Gipfelvorstoß eine Erholungsphase in niedrigerer Höhe sehr günstig auswirkt, ließ ich die Teammitglieder für eine zusätzliche Woche zum Walddorf Deboche auf 3770 Meter absteigen. Nichts wirkt sich positiver auf die menschliche Psyche aus als das Grün dichter Wälder und sauerstoffreiche Luft. Hier entgeht man der Routine des Basislagers, und nach drei Wochen harten Trainings in Eis und Ödland lechzen Körper und Geist nach Erholung.
Unserem militärischen Verbindungsoffizier Captain Rochadi schärfte ich ein, daß wir für die Ausstattung von Lager V zwei Zelte, zehn Flaschen Sauerstoff, Schlafsäcke und Matten benötigten. Ich erwartete, daß er in den sieben Tagen unserer Abwesenheit mit Apa und den Sherpas den Transport bewerkstelligen würde. Nun waren aber acht der sechzehn Sherpas nicht einsatzfähig, und Apa, obwohl menschlich und von seiner Leistung her außergewöhnlich, war allein nicht imstande, die für den Erfolg der Expedition nötige Arbeit zu bewältigen. Seine bisherigen Erfahrungen hatte er als Mitglied anderer, starker Sherpa-Teams gesammelt, und nun hatte er Leute seiner Wahl für uns einstellen dürfen, viele davon Angehörige oder Freunde, die die erforderliche Leistung nicht bringen konnten. So stand uns am Ende nur die Hälfte der angeworbenen Sherpas zur Verfügung. Dieser Schwachpunkt in der Organisation und die ungenügende Kontrolle der Situation durch die indonesische Teamleitung stellten eine ständige Gefährdung für den Gipfelvorstoß wie auch für unsere ausgeklügelten Notfallpläne dar.
Ich möchte niemandem die Schuld an dieser Situation zuweisen. Von anderen Expeditionen her weiß ich, daß es jahrelanger Ausbildung und ständiger finanzieller Unterstützung bedarf, um ein Sherpa-Team heranzuziehen, das dank seiner
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