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Der Gipfel - Tragoedie am Mount Everest

Der Gipfel - Tragoedie am Mount Everest

Titel: Der Gipfel - Tragoedie am Mount Everest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anatoli Boukreev , G. Weston Dewalt
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eventuell ohne auskommen mußten. Eine Flasche Sauerstoff reicht sechs Stunden bei einem Verbrauch von zwei Litern pro Minute, was sehr gering angesetzt ist. Bei einem Liter Verbrauch verdoppelt sich der Vorrat. Da wir sehr viel Ausrüstung hinaufschaffen und im Tiefschnee eine lange Spur austreten mußten, stand uns Schwerarbeit bevor.
    Am 26. April brachen wir um Mitternacht vom Südsattel auf. Ich ging mit Sauerstoff – ein Liter pro Minute -, übernahm von Anfang an die Spitze und spurte langsam und mühselig. Vinogradski und Bashkirov schonten ihre Kräfte und folgten mit den Indonesiern. Auf 8300 Meter merkten wir, daß unser Tempo so war wie im letzten Jahr. Ich führte die Reihe an, Apa ging hinter mir. Aber das Team war ziemlich langsam. Ich spurte weiter bis auf eine Höhe von 8600 Meter. Nach neun Stunden Stapfen durch schenkeltiefen Schnee erreichte ich erschöpft den Südgipfel.
    Unter mir sicherte Apa eine steile Passage zwischen 8600 und 8700 Meter knapp unterhalb des Südgipfels. Um elf Uhr traf das gesamte Team auf dem Südgipfel ein. Wir hielten eine Lagebesprechung mit Apa ab, der vorschlug, ich sollte weiter voraus zum Gipfel gehen und spuren. Als ich ihn um ein Seil bat, sagte er nur, daß wir keines mehr hätten. Vom Spurtreten total erschöpft, da der Energieverbrauch in dieser Höhe Ausdauer und Kondition stark beeinträchtigt, brachte ich nicht mehr die Kraft auf, den letzten Teil unserer Route zu sichern, indem ich alte Seilreste zusammenknüpfte. Ich konnte es nicht fassen – wo war das Seil? Apa gestand nun, daß er die letzten hundert Meter Seil in einem Bereich der Route verbraucht hatte, der normalerweise nicht versichert werden muß. Da der Schnee hier aber ungewöhnlich hoch lag, hatte ich kein Risiko eingehen wollen und auch diesen Abschnitt für den Abstieg sichern lassen. Wieder einmal zeigte es sich, daß man sich auf dem Berg innerhalb sehr enggesteckter Grenzen bewegt. Was sich unten höchstens als Hauch einer Schwierigkeit abzeichnet, kann sich am Gipfeltag zum alles überschattenden Problem auswachsen, das über Erfolg oder Mißerfolg entscheidet. Man kann in einer solchen Situation toben und mit dem Schicksal hadern, oder man kann versuchen, das Problem zu meistern. Die zahlreichen Gespräche, in denen man mir versicherte, daß alle meine Forderungen hinsichtlich der Ausrüstung erfüllt würden, waren sinnlos gewesen.
    Apa bot an, abzusteigen und das Seil zu holen. Nun kam der Zeitfaktor ins Spiel. Die Uhr tickte, wir mußten weitergehen oder absteigen. Apa, der wußte, daß ihm ein Fehler unterlaufen war, der den gesamten Erfolg unserer Expedition in Frage stellte, zeigte Rückgrat. Er ging voraus und versicherte die Strecke mit unseren letzten vierzig Metern Seil und alten, von früheren Expeditionen vorhandenen Seilresten. Ich war froh über die Ruhepause, nach der ich mich merklich besser und kräftiger fühlte.
    Als Dawa uns einholte, erfuhren wir, daß auf 8500 Meter Höhe für uns nun tatsächlich zusätzlicher Sauerstoff und ein Zelt bereitstanden. Apa hatte die Seile bis zum oberen Ende des Hillary Step zusammengestückelt. Unsere Gruppe war gut in Form. Es war knapp nach zwölf Uhr dreißig, als Apa den Hillary Step hinter sich hatte. Das Wetter hielt. Das Notlager war gesichert. Bashkirov, Vinogradski und ich entschieden uns für den Gipfelaufstieg, obwohl wir sehr spät, erst gegen fünfzehn Uhr, ans Ziel kommen würden.
    Misirin kam langsam und ohne Hilfe voran. Asmujiono bewegte sich gut, wirkte aber wie jemand, dessen Bewußtsein irgendwo tief in sein Inneres abgesunken ist. Auch Iwan war langsam, und er ließ erkennen, daß seine Koordination nachließ, obwohl mental bei ihm alles in Ordnung war. Misirin machte von allen den besten Eindruck, so daß wir ihm die größten Gipfelchancen gaben. Bei allen dreien war die Entschlossenheit noch ungebrochen; die Chance, auf den Gipfel zu kommen, wollte sich keiner entgehen lassen. Ich hätte es vorgezogen, mit einem einzigen weiterzugehen und die anderen umkehren zu lassen, ließ mich aber überreden, diese große Entscheidung bis zum oberen Ende des Hillary Step zu verschieben. Da ich spürte, daß Asmujionos geistige Leistungsfähigkeit nachließ und ich ihn unter ständiger ärztlicher Beobachtung haben wollte, teilte ich ihn Dr. Vinogradski zu.
    Bashkirov und Misirin gingen als erste, dann kamen Iwan und ich, während Asmujiono und Dr. Vinogradski den Schluß bildeten. Der Grat präsentierte sich im Unterschied

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