Der Gipfel - Tragoedie am Mount Everest
transportieren. Diese Arbeitsteilung würde den Beraterstab theoretisch völlig entlasten, so daß wir uns ganz dem Kletterteam widmen konnten und den Kopf für eventuell auftauchende Probleme auf der Route frei hatten.
Am 6. Dezember flog ich von Djakarta in die Vereinigten Staaten zu einem Termin mit Ärzten, die den Schaden an Gesicht und Auge abschätzen sollten, den ich bei einem Busunfall im Oktober davongetragen hatte. 41
Bashkirov und Vinogradski überwachten das Training am Paldor Peak, Ganesh Himal, das am 15. Dezember begann. Vierunddreißig Bergsteiger, die Hälfte von ihnen ohne hochalpine Erfahrung, versuchten sich am Paldor (5900 Meter). Siebzehn erreichten den Gipfel. Sie hielten einundzwanzig Tage allmählicher Akklimatisation unter winterlichen Bedingungen durch.
Am 10. Januar trafen Ang Tshering, Bashkirov, Vinogradski und ich uns in Kathmandu, um die Pläne zu koordinieren und mit der Auswahl des Teams zu beginnen. Laut Bashkirovs und Vinogradskis nicht allzu optimistischer Schätzung hatten sich im günstigsten Fall die siebzehn Paldor-Bezwinger für das Gipfelteam qualifiziert.
Die Frage der Ausrüstung drängte. Keiner der Teilnehmer war ausreichend ausgestattet, und alles mußte nun möglichst rasch beschafft werden. Monty Sorongan und Captain Rochadi, der Militärattachè, sollten in Salt Lake City, Utah, auf einer Sportartikelmesse Lieferanten kontaktieren und unsere Bestellungen weiterleiten. Amerikanische Firmen wie Sierra Designs und Mountain Hardware zeigten sich sehr hilfsbereit, so daß alles rechtzeitig bereit war. Simone Moro aus Italien half uns beim Kauf der Stiefel. Bei dieser Expedition wollte ich nicht nur den Verlust von Menschenleben unbedingt vermeiden, ich wollte, daß alle mit heilen Gliedmaßen nach Hause zurückkehrten. Technische Verbesserungen bei Bekleidung und Schuhwerk machen Extremtemperaturen für Untrainierte leichter erträglich. Letztes Jahr hatte ich erlebt, was für einen Unterschied gute Ausrüstung ausmachen kann. Und für diese Gruppe würden wir ein besonders dickes Sicherheitspolster brauchen. Zum Glück zeigten die Organisatoren Einsicht und bemühten sich, in allem unseren Empfehlungen zu entsprechen. Unsere Ausrüstung wurde mit Hilfe von Thai Airlines, die über einen eigenen Service für sachgerechten Transport von Expeditionsausrüstungen verfügt, nach Kathmandu geflogen und sollte am 6. März eintreffen. Für den 12. März war unser Aufbruch ins Basislager geplant.
Im Januar und Februar absolvierten die vierunddreißig Teammitglieder ihren zweiten Trainingsabschnitt auf dem Island Peak (6189 Meter). Die sechzehn, die den Gipfel bezwangen, hatten auch den Paldor bestiegen. Sie verbrachten zwanzig Tage bei minus vierzig Grad und starken Winterstürmen. In drei Tagen und Nächten über 6000 Meter unter harten Bedingungen mußten die Männer täglich 1000 Meter in weniger als fünf Stunden auf- und absteigen. Es war das optimale Training. Jetzt kann ich selbst darüber nur den Kopf schütteln: Paldor, Island Peak, Everest. Als Trainingsprogramm nicht für jedermann zu empfehlen.
Wieder in Kathmandu, stellten Bashkirov und Vinogradski eine Liste für Col Eadi zusammen. Sie teilten die Kletterer nach Geschwindigkeit, Anpassung an die Höhe, allgemeinen Gesundheitszustand und Einstellung ein und nahmen eine Reihung von eins bis sechzehn vor. Die Armeeleute waren, wenn auch unerfahren, ehrgeiziger und disziplinierter und zeigten in schwierigen Situationen mehr Motivation. In der letzten Auswahlgruppe fanden sich zehn Soldaten und sechs Zivilisten. Wir empfahlen nur einen einzigen Aufstieg, und zwar von der Südseite aus, ein Vorschlag, der von den Indonesiern abgelehnt wurde. Sie hatten Richard Pavlowski zur Führung eines Everest Teams gewonnen, das von Norden aus aufsteigen sollte. 42 Am Ende nahmen wir zehn Teilnehmer mit ins Basislager an der Südseite, während sechs mit Richard nach Tibet gingen. Nach dem Island Peak wurden den Teams sechsundzwanzig Ruhetage zugestanden. Wir sollten das erste Team sein, das in dieser Saison den Khumbu durchstieg. Mir lag daran, als erster am Berg zu sein und zum Gipfel aufzusteigen, da ich am Gipfeltag mit anderen Teams keinen Konkurrenzkampf austragen wollte.
Der russische Hubschrauber brachte uns aus dem Smog Kathmandus am 12. März nach Lukla (2850 Meter). Zehn Mitglieder, drei russische Alpinberater und sechzehn Sherpas gingen hier von Bord. Wir wollten ins Basislager und auf den höchsten Gipfel der
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