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Der Gipfel - Tragoedie am Mount Everest

Der Gipfel - Tragoedie am Mount Everest

Titel: Der Gipfel - Tragoedie am Mount Everest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anatoli Boukreev , G. Weston Dewalt
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April stürmte es auf dem Südsattel. Wir kontaktierten Captain Rochadi im Basislager. Er wiederum nahm Verbindung mit dem Wetterdienst in Kathmandu auf, der meldete, daß die Winde keine ernste Wetterverschlechterung bedeuteten. Sehr wahrscheinlich würden sie in den nächsten zwei Tagen abflauen. Wir beschlossen, alle Teammitglieder im Lager III zu belassen und die Sherpas zum Lager II zurückzuschicken. Die Entscheidung hinsichtlich der Sherpas mußte Apa treffen. Er versicherte mir, dafür zu sorgen, daß das Notlager am Gipfeltag bereit wäre. Am 24. April ruhten wir uns aus, und am 25. April erreichte das Team zwischen fünfzehn und siebzehn Uhr den Südsattel. Die Indonesier hatten die Route ohne zusätzlichen Sauerstoff bewältigt. Ihre Verfassung war gut, sie waren aufeinander eingespielt, und sie waren motiviert.
    Auf dem letzten Stück zum Gipfel sollte jeder der Indonesier zwei Sauerstoffflaschen tragen und davon ständig zwei Liter pro Minute verbrauchen. Unsere Sherpas, die selbst Sauerstoff benutzten, würden drei zusätzliche Flaschen für jedes Teammitglied tragen. Wir wußten, daß das Treten der Spur auf unserer Route sehr viel Kraft kosten würde, da der Schnee stellenweise schenkeltief und von 8100 Meter bis 8600 Meter knietief lag. Da wir in diesem Jahr als erste Expedition aufstiegen, mußten sämtliche Seile der Route erst fixiert werden. Bashkirov, Vinogradski und ich beschlossen, je zwei Sauerstoffflaschen für den Aufstieg zu tragen, und bestanden darauf, daß Apa den Sherpas zwei zusätzliche Flaschen für jeden von uns auflud.
    Daß ich mich bei diesem Gipfelvorstoß für den Gebrauch von Sauerstoff entschied, hat dreierlei Gründe, doch war ich in diesem Punkt ohnehin nie ein strenger Dogmatiker. Es erwies sich 1996 als großes Problem, daß niemand, weder Führer noch Kunde, ohne Sauerstoff richtig funktionierte, eine Tatsache, die das Gefahrenpotential erhöhte.
    Der erste Beweggrund war meine Gesundheit. 1996 hatte ich im Herbst und Winter erfolgreich drei Achttausender bestiegen und im ersten Vierteljahr ein anstrengendes Trainingsprogramm bewältigt. Vor der Saison 1997 hatte ich jedoch einen schweren Unfall, dessen Folgen mich an meinen Reaktionen in extremer Höhe zweifeln ließen. In den Wintermonaten vor der indonesischen Expedition war mein Trainingsprogramm ganz anders abgelaufen als im Vorjahr. Ich mußte mich von einigen Operationen erholen und verbrachte viel Zeit, die Einzelheiten der Expedition zu organisieren. Ich spürte deutlich, daß ich weniger Kraftreserven hatte als im Jahr zuvor. In der Woche vor dem Aufstieg hatte mir ein Zahn zu schaffen gemacht, der mir gezogen wurde, ein Eingriff, von dem ich mich noch erholte, als wir zum Gipfel aufbrachen.
    Der zweite Grund ergab sich aus dem Akklimatisationsprogramm der Expedition. 1996 arbeitete ich bis zum Südgipfel und befestigte tagelang ohne Sauerstoffhilfe die Seile. In diesem Jahr konnten wir wegen des Arbeitskräftemangels in unserem Sherpa-Team nicht die Akklimatisationsnacht auf dem Südsattel verbringen, die ich für sehr entscheidend halte. Diese vierundzwanzig Stunden auf 7900 Meter ohne Sauerstoff erleichtern dem Körper die Anpassung an die Belastung in dieser Höhe. Wenn man zum Gipfel Sauerstoff benutzt, ist dieser Aufenthalt nicht so wichtig, aber im allgemeinen halte ich ihn im Rahmen des Akklimatisationsprogramms für äußerst vorteilhaft. Ich hatte diesmal zu wenig Zeit auf 7900 Meter verbracht, um sicher voraussagen zu können, wie mein Körper auf diese Höhe reagieren würde.
    Der dritte Grund waren die veränderten Bedingungen auf der Route, die wir vorfanden, als wir den Südsattel erreichten. Auf der ganzen Strecke lag der Schnee stellenweise einen halben bis einen Meter hoch. Mir standen nur acht einsatzfähige Sherpas zur Verfügung. Das Notlager mußte noch errichtet werden. Ich konnte von den Sherpas nicht verlangen, daß sie mit ihren schweren Lasten auf dem Rücken auch noch den Aufstieg spurten, da dies unter den gegebenen Bedingungen eine brutale, kräfteraubende Arbeit bedeutet.
    Wir hatten also acht Sherpas auf dem Südsattel. Nur Apa und Dawa würden mit auf den Gipfel gehen, während die anderen Vorräte auf das in 8500 Meter gelegene Notlager schaffen sollten. Apa versicherte mir immer wieder, er habe die Versorgung von Lager V im Griff und ich sollte mir deswegen keine Sorgen machen. Bashkirov, Vinogradski und ich wußten, daß Sauerstoff knapp war, was bedeutete, daß wir

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