Der Gipfel - Tragoedie am Mount Everest
Ich konnte nur hoffen, daß Scott, für den vom Erfolg seiner ersten großen Everest-Expedition sehr viel abhing, von seinem professionellen Gespür richtig geleitet worden war. Ich wußte, wieviel harte Arbeit es ihn gekostet hatte, sich in der Branche zu etablieren, und wieviel Mühe, ein gutes Team für den Everest auf die Beine zu stellen. In kürzester Zeit eine Gruppe von einheitlicher Stärke zusammenzubekommen und qualifizierte Bergführer zu finden, ist sehr schwierig. Ich war der Meinung, daß Scotts Bemühungen Respekt verdienten.
Scott, Lopsang und ich hatten den Teilnehmern, von denen die meisten zumindest einigermaßen geeignet waren, dank unserer Everest-Erfahrung einiges an Wissen und Können zu bieten. Ich persönlich mußte auf einer kommerziellen Expedition zwar immer erst umdenken, da in der russischen Hochalpinistik Gemeinschaftsleistung und Teamwork im Vordergrund stehen, während persönlicher Ehrgeiz erst in zweiter Linie gefordert ist. Zu Beginn der Ausbildung waren niedrigere Gipfel vorgesehen, mit denen man sich erst vertraut machen mußte. Man konnte Erfahrung und Selbstvertrauen über lange Zeit hinweg aufbauen und wurde an Achttausender erst herangeführt, wenn man dazu bereit war. Wie auch bei anderen kommerziellen Expeditionen sah ich mich hier mit einer völlig anderen Situation konfrontiert: Man hatte mich angeheuert, damit ich den Berg für die Menschen präpariere und nicht umgekehrt.
7. Kapitel Im Basislager
Während Boukreev noch am Abend des 6. April ins Basislager zurückkehrte, blieb die Mountain-Madness-Gruppe in Gorak Shep. Man wollte auf das Yak-Team und den letzten Versorgungstreck warten. Bis zu diesem Zeitpunkt war der Großteil der für das Basislager benötigten Vorräte von Trägern transportiert worden, die so viel heranschaffen konnten, um Boukreev und das Vorausteam der Sherpas zu versorgen. Die Expeditionsteilnehmer aber mußten warten, bis die Yaks mit dem restlichen Nachschub eingetroffen waren, ehe sie das Basislager beziehen konnten.
Die Yak-Karawanen sämtlicher Expeditionen waren nur ganz langsam vorangekommen. Am Tag vor der Ankunft in Gorak Shep, nach dem Aufbruch aus Lobuche, war das Mountain-Madness-Team auf einige seiner Yaks gestoßen, die bis zum Hals im Schnee steckten und darauf warteten, von ihren verzweifelten Treibern mühsam ausgegraben zu werden.
Um die Zeit in Gorak Shep totzuschlagen und die Akklimatisation zu beschleunigen, unternahmen Fischers Leute einen Tagesausflug und bestiegen den Kala Pattar (5554 Meter), einen Nebengipfel. Dort bot sich ihnen ein freier und eindrucksvoller Ausblick auf den Khumbu-Eisbruch – das erste anspruchsvolle Hindernis, das sie auf ihrem Weg zum Everest-Gipfel zu überwinden hatten. Auf dem Kala Patta erlebten einige Teilnehmer den Übergang von der Planung in die Realität und das damit verbundene Gefühl innerer Zerrissenheit, das sich bei vielen Bergsteigern einstellt, wenn sie ihr Ziel greifbar vor Augen haben. Es war das, wofür sie ihre Schecks ausgestellt hatten.
Am 8. April, einem Montag, nahm Fischers Team das letzte Wegstück in Angriff. Einige hundert Meter nördlich der Sandfläche von Gorak Shep stieß man auf einen Pfad, der zu einer Moräne und weiter auf den Khumbu-Gletscher führte. In drei Stunden erreichte die Gruppe, der ausgetretenen Spur der Träger und Yaks folgend, das Everest-Basislager.
Erst nachdem sie sich in einer Mondlandschaft aus Geröll vorsichtig von Stein zu Stein getastet hatten, um sich nicht die Knöchel zu brechen, erreichten sie den Lagerplatz. Vorrangige Aufgabe der Teilnehmer war nun das Aufstellen der Zelte. Unter Mithilfe der Sherpas gingen sie daran, den Boden einzuebnen und ihre Bleibe für die nächsten Wochen aufzustellen.
Mit der Ankunft der Kunden ging mit den Sherpas, meinen Arbeitskameraden, eine Verwandlung vor sich. Allmorgendlich erschienen sie nun in den Zelten und weckten die Leute mit Tee und Kaffee und einem fröhlichen ›Guten Morgen‹! Im Essenszelt standen ständig Thermosflaschen mit Kaffee bereit, es gab Sportdrinks, Kraftriegel und Dörrfleisch. Die Mahlzeiten waren oft schwer, Pizza oder Stew und ähnliches. Mir war die Sherpa-Kost lieber – sie mochte eintöniger sein, war aber leichter verdaulich und meiner Erfahrung nach in dieser Höhe viel bekömmlicher. Es gab heiße Duschen und Postzustellung. Wir hatten sogar ein Kommunikationszelt für Sandy Pittmans Sende-Equipment: Satellitentelefon, Computer und Solarblöcke zur
Weitere Kostenlose Bücher