Der Gipfel - Tragoedie am Mount Everest
Gepäck. Als ich mich auf 6800 Meter an der Lhotse-Flanke in die Fixseile einhängte, wurde das Wetter schlechter. Bei Tagesanbruch hatte die Bewölkung nicht bedrohlich ausgesehen, nun aber frischte der Wind auf. Leichter Schneefall setzte ein, und während ich an den Fixseilen aufstieg, wurde es neblig. Jetzt erst merkte ich, daß ich am Morgen einen Fehler begangen und meine »Snickers« anbehalten hatte. Ich ärgerte mich über diese Nachlässigkeit. Gefährlich war meine Situation wegen der Fixseile nicht, aber angenehm auch nicht. Die Stollen meiner Profilsohlen fanden im Neuschnee kaum Halt, so daß ich mir jeden Schritt gut überlegen mußte.
Zuweilen war die Sicht nur ein, zwei Meter weit, doch riß der starke Wind die Wolken manchmal auf. In einem dieser Löcher sah Boukreev die Mountain-Madness-Sherpas knapp unterhalb des für Lager III vorgesehenen Standorts im Abstieg begriffen. Erstaunt darüber fragte er sie, ob sie alles vorbereitet und die Zelte aufgestellt hätten. Nichts von beidem war geschehen. Der Wind sei zu stark und das Wetter zu schlecht, meinten sie.
Da wir unserem Akklimatisationsplan hinterherhinkten und noch Übernachtungen in höhergelegenen Lagern absolvieren mußten, war ich sehr ungehalten, daß die Sherpas die Arbeit einfach abgebrochen hatten. Es stand jedoch nicht in meiner Macht, sie umzustimmen. Nur Scott, der abgestiegen war, oder Lopsang, der seinen kranken Onkel ins Basislager begleitet hatte, hätten es durchsetzen können. Enttäuscht über diese Pleite fuhr ich fort, die Fixseile anzubringen, bis ich alle aufgebraucht hatte.
Wie um der Entscheidung der Sherpas Nachdruck zu verleihen, wurde das Wetter noch schlechter. Stetiger Schneefall, begleitet von starken Böen, setzte ein. Die Sicht war praktisch gleich null. Ich zog mein Höhenzelt aus dem Rucksack und deponierte es dort, wo die Träger am Ende der Fixseile ihre Lasten zurückgelassen hatten. Vor Kälte zitternd und mißmutig, weil mir der Fehler mit den Schuhen unterlaufen war, stieg ich über die Lhotse-Flanke ab. Nach einer knappen Stunde kam ich bei den Zelten an und setzte mich zu den anderen zum Mittagessen.
Als das Wetter schlechter wurde, war die Mountain-Madness-Gruppe vernünftig genug gewesen, nicht bis zur geplanten Höhe aufzusteigen, sondern ins Lager zurückzukehren.
Am Abend des 24. April meldete ich mich über Funk bei Scott, der sich mit Neal noch immer im Basislager aufhielt. Wir besprachen die anstehenden Probleme. Lager III stand noch nicht, und unsere Sherpas waren am Rande der Erschöpfung, nachdem sie einige Tage hintereinander durchgearbeitet hatten. Ich schlug vor, daß vier von ihnen am nächsten Tag zum Standort von Lager III aufsteigen und unsere Zelte aufstellen sollten, um danach zum Basislager abzusteigen und sich auszuruhen. Das bedeutete, daß sie am 26. April nicht zur Verfügung stehen würden, was die Situation komplizierte.
Über das Anbringen der Fixseile zwischen den Lagern III und IV am 26. April hatten sich Fischer, Rob Hall von Adventure Consultants, Todd Burleson von Alpine Ascents, Ian Woodall von der Sunday-Times- Expedition aus Johannesburg und Makalu Gau von der taiwanesischen Expedition geeinigt. Mountain Madness würde nicht wie die anderen Expeditionen Führer mit dieser Arbeit betrauen, sondern einige Sherpas zur Verfügung stellen. Boukreev und Fischer sahen sich nun einem Problem gegenüber: Wenn Mountain Madness seine Sherpas am 25. April Lager III aufbauen ließ und sie am 26. zum Ausruhen ins Basislager schickte, konnten sie oben nicht bei den Fixseilen mithelfen. Man beschloß daher, Boukreev anstelle der Sherpas hinaufzuschicken.
Mit einer Absage hätten wir unser Privileg verspielt, unter den ersten zu sein, die aufsteigen durften. Wir wollten aber unsere Position am 10. Mai, dem voraussichtlichen Gipfeltag, nicht verlieren.
Das Anbringen der Fixseile zwischen Lager III und Lager IV gehört zu den mühseligsten und zeitraubendsten Arbeiten, die einer Besteigung des Everest über die Südostgrat-Route vorangehen. Boukreev war dennoch froh, daß man ihn damit betraute. Er wollte sicher sein, daß die Route vor dem Gipfelsturm begehbar und gesichert war. Um diese Arbeit bewältigen zu können, brauchte er einen Ruhetag, und man kam überein, daß er den nächsten Tag in Lager II verbringen sollte. Dort sollte er sich erholen und von den anderen Expeditionen alles Nötige für diese Arbeit übernehmen.
Unterdessen wurden
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