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Der Gipfel - Tragoedie am Mount Everest

Der Gipfel - Tragoedie am Mount Everest

Titel: Der Gipfel - Tragoedie am Mount Everest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anatoli Boukreev , G. Weston Dewalt
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Wirkung zeigte, beförderten Klev Schoening und Tim Madsen ihn mittels eines provisorischen Schlittens bergab. Unterdessen hatten sich Neil Beidleman und einige Mountain-Madnes-Sherpas aus dem Basislager schon auf den Weg durch den Eisbruch gemacht, um ihnen entgegenzugehen. Kurz vor Einbruch der Dunkelheit übernahmen sie den Kranken von Madsen und Schoening, die auf dem Berg blieben, damit sie ihren Akklimatisationsablauf nicht unterbrechen mußten.
    Am Morgen des 23. April wurde die ursprünglich geplante Tour eingehalten. Man entschied, daß Beidleman, dem großes Lob dafür zuteil wurde, daß er den Kranken bei Dunkelheit über den Eisbruch geschafft hatte, seinen Aufbruch bis zum Nachmittag oder auf den nächsten Tag verschieben sollte, je nachdem, wie rasch er sich von den Strapazen erholte.
    Am Morgen betätigte sich Fischer schon vor dem Frühstück in Sandy Pittmans Kommunikationszelt. Er hielt nicht nur Kontakt zu seinem Büro in Seattle und spielte auch aus der Ferne den Boss, sondern er gab auch regelmäßig Nachrichten an Jane Bromet, seine PR-Agentin, durch. Sie war noch immer als Korrespondentin für Outside Online 22 tätig, obwohl sie das Basislager verlassen hatte und wieder zu Hause in Seattle saß.
    Neben den zur Veröffentlichung bestimmten Nachrichten lieferte Fischer Jane auch Insider-Impressionen, sozusagen Everest pur, die nicht auf dem Monitor der Lehnstuhl-Alpinisten in Milwaukee, die sich während der Fernsehwerbung ins Internet einklickten, zu sehen sein würden. Eines seiner immer wiederkehrenden Themen war das Geld und wie rasch es sich in diesen Höhen verflüchtigte.
    Ein Geschäftspartner Fischers sagte: »Ich glaube, es war für ihn ein gewaltiger Streß, zumal als die Sache mit Ngawang passierte. Immerzu ging ihm im Kopf herum: ›Mensch, der Bursche liegt womöglich jahrelang im Koma – wer soll das bezahlen?‹ Vor allem das Geldproblem belastete ihn enorm. Er versuchte es wohl einfach zu verdrängen, obwohl es immer bedrückender wurde. Und dazu der Gedanke: ›Jetzt steige ich auf diesen Berg, und wenn es hoch kommt, fahre ich mit zehntausend Lappen in der Tasche nach Hause. Da stimmt doch etwas nicht.‹«
    Lene Gammelgaard schuldete Mountain Madness noch immer über 20000 Dollar. Der Sauerstoffvorrat, von dem Pete Schoening und andere zehrten, die mit jeder Flasche 325 Dollar inhalierten, schmolz bedenklich zusammen. Fischer mußte damit rechnen, den kranken Sherpa per Hubschrauber nach Kathmandu ausfliegen zu lassen (eine kostspielige Maßnahme). Seine eigene körperliche Erschöpfung ging über das Normalmaß in dieser Höhe hinaus. Seine Teamärztin und Basislagerleiterin litt an häufigen Anfällen von Höhenkrankheit. Lager II mußte erst aufgebaut werden. Zwischen Lager II und Lager IV gab es noch keine Fixseile. Von den physischen Strapazen erschöpft, hinkte Fischer hinter seinem Zeitplan her und fragte sich ernsthaft, wie er die Sache über die Bühne bringen sollte. Er taumelte auf einen Abgrund zu, der es mit jenen im Khumbu Eisbruch aufnehmen konnte – aber er biß sich durch, fast immer lächelnd und guter Laune.
     
    Der Großteil der Gruppe brach ohne Führer um sechs Uhr morgens zum Eisbruch auf. Man wollte der Tageshitze und der blendenden Lichtreflexion des Eises entgehen, das mit zunehmender Sonneneinstrahlung immer tückischer und gefährlicher wurde. Vor dem Aufbruch waren Scott und ich übereingekommen, daß wir den Kunden wie früher auch schon in einem gewissen Abstand folgen würden. Unsere Strategie, es den Kunden allein zu überlassen, gewisse Situationen zu bewältigen, hatte die mißbilligende Aufmerksamkeit anderer Teams auf sich gezogen. Aber in diesem Punkt waren Scott und ich uns einig.
    Ich persönlich stand den streng reglementierten Expeditionen, bei denen die Teilnehmer wie Marionetten agieren, mit großer Skepsis gegenüber. Meine Erfahrung als Skilanglauftrainer und Bergführer hatte mich gelehrt, wie wichtig es war, die Selbständigkeit zu fördern.
     
    Nicht nur der Führungsstil von Mountain Madness erregte bei anderen Expeditionen Argwohn, sondern auch einer der Führer, nämlich Boukreev. Auf seinen Touren mit Kunden am Berg oder bei der Arbeit im Basislager sah man ihn oft in Laufschuhen mit Stollen an den Sohlen. Das war »Normalschuhwerk« für Boukreev, wenn er nicht in großer Höhe in Eis und Schnee unterwegs war. Seine Schuhe waren nicht nur Anlaß für Gerede, sie brachten ihm auch den Spitznamen »Sneakers« ein. Das

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