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Der Gipfel - Tragoedie am Mount Everest

Der Gipfel - Tragoedie am Mount Everest

Titel: Der Gipfel - Tragoedie am Mount Everest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anatoli Boukreev , G. Weston Dewalt
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Sandy Pittman vortrat, legte ihr Lopsang Jangbu ein Seil an, das er mit einem Karabiner an seinem Klettergurt festmachte. Gegen Mitternacht brach Lopsang zum Gipfel auf, hinter sich am Seil Sandy Pittman. Kurz nach ihr verließ Charlotte, die am 10. Mai ihren neunundreißigsten Geburtstag feierte, auf Beidlemans Drängen Lager IV.
    Am Südsattel herrschte eisige Kälte, und es war Neuschnee gefallen. Ich fühlte mich nach dem Schlaf sehr gut ausgeruht, hatte mich aber noch nicht entschieden, ob ich mit oder ohne Sauerstoff gehen wollte. Für alle Fälle steckte ich Flasche und Maske in meinen Rucksack. Gemeinsam mit Martin Adams begann ich als einer der letzten unserer Gruppe mit dem Aufstieg.
     
    Als letzter brach Fischer auf, um die Nachhut zu bilden. Vor ihm ging Lene Gammelgaard, die sofort umkehrte, als sie merkte, daß er weit zurückblieb. »Ich war erleichtert, als ich sah, daß er Sauerstoff benutzte, weil ich ihm immer wieder zugeredet hatte, ›nimm Sauerstoff oder leite die Expedition vom Lager aus‹, was er eigentlich hätte tun sollen. Jetzt war ich beruhigt, weil er mit Sauerstoff ging. Dann beeilte ich mich und schloß zur Gruppe auf. Als es vom Südsattel losging, stand für mich fest, daß ich am Gipfeltag keinesfalls allein sein wollte. Ich war viel allein geklettert, den Eisbruch rauf und runter, aber dann merkte ich, wieviel mentale Kraft man von der Gruppe bezieht.«

14. Kapitel Zum Südgipfel
     
    Als die Mountain-Madness-Gruppe Lager IV hinter sich ließ, sah sie vor sich eine Schlangenlinie von Lichtern – die Stirnlampen von Rob Halls Expeditionsteilnehmern, die eine halbe Stunde vor ihnen losgegangen waren. Hall wollte fünfzehn Leute auf den Gipfel bringen: sich selbst, zwei Führer, acht Kunden und vier Sherpas, darunter Ang Dorje, mit dem Boukreev die Fixseile angebracht hatte.
    Hinter Rob Halls Gruppe aufzusteigen, war für Lene Gammelgaard kein Grund zur Freude. »Es war ein echt gutes Team, aber alt und langsam. Alle waren so stark, wie man mit fünfundvierzig oder fünfzig nur sein kann, was bedeutet, daß man sehr, sehr langsam ist.« Ein anderer Mountain-Madness-Kletterer sagte: »Meiner Meinung nach hat es uns beim Aufstieg ein paar Stunden gekostet, weil wir hinter Rob Hall starteten und seine Gruppe an den Fixseilen überholen mußten, als wir aufschlossen.«
    Etwa drei Stunden nach dem Aufbruch vom Südsattel stießen die Mountain-Madness-Leute auf jene von Rob Hall und machten sich daran, sie zu überholen. Gegen vier geriet die Reihenfolge total durcheinander: Fischers Team mischte sich mit jenem Halls, Halls mit jenem Fischers und beide mit den drei Teilnehmern der taiwanesischen Expedition. Letztere waren Makalu Gau, der Leiter, und zwei Sherpas. Zur großen Verwunderung Halls und Fischers hatten die Taiwanesen sich entschlossen, hinter den zwei Teams aufzusteigen, wahrscheinlich um im Windschatten stärkerer Bergsteiger die ausgetretene Spur und die inzwischen befestigten Seile zu nutzen.
    Boukreev ging einige Stunden mit Adams, dann fiel er zurück, nachdem sie ein paar von Rob Halls Leuten sowie einige aus der eigenen Gruppe passiert hatten. Adams erinnerte sich, daß er nach dem Aufbruch Boukreev geklagt hatte, daß er sich lethargisch und schlapp fühlte, doch beim Aufsteigen faßte Adams wieder Tritt. Sein Akklimationstraining und der zusätzliche Sauerstoff verliehen ihm Kraft für einen »großen Tag«, wie er es nannte.
    An der Spitze des Schlangentanzes wechselten im Morgengrauen drei Kletterer aus Rob Halls Expedition einander ab: der Sherpa Ang Dorje, Mike Groom, einer von Halls Führern, und Jon Krakauer, Journalist und gleichzeitig zahlender Kunde, der im Februar bei Hall unterschrieben hatte, nachdem Outside sich gegen Mountain-Madness entschieden hatte. An mehreren Stellen entlang der Aufstiegsroute hatten die drei laut Krakauer halt machen müssen. Nicht etwa weil es Schwierigkeiten gegeben hätte, sondern weil Hall alle angewiesen hatte, sich in »der ersten Hälfte des Gipfeltages« nicht mehr als hundert Meter voneinander zu entfernen, und zwar bis zum Balkon, einem Felsvorsprung am Fuße des Südostgrats in 8500 Metern Höhe. An Selbständigkeit am Berg gewöhnt, sagte Krakauer, daß er es als sehr unbefriedigend empfunden hätte, seine Entscheidungen vom kleinsten gemeinsamen Nenner abhängig zu machen. Als zahlender Kunde hätte er sich aber »gezwungen« gesehen, auf Eigenverantwortung und Entscheidungsfreiheit zu verzichten und praktisch zur

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