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Der Gipfel - Tragoedie am Mount Everest

Der Gipfel - Tragoedie am Mount Everest

Titel: Der Gipfel - Tragoedie am Mount Everest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anatoli Boukreev , G. Weston Dewalt
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Marionette zu werden.
     
    Die unterschiedlichen Ansichten Halls und Fischers waren symptomatisch für die Diskussion zwischen den beiden Lagern der Abenteuerreisen-Branche. Die einen argumentieren, daß es bei einer risikoreichen Unternehmung kein Regelsystem geben kann, das jeder möglichen Situation gerecht wird, und daß Regeln den auftretenden Anforderungen angepaßt werden müssen. Die anderen vertreten die Auffassung, daß Regeln die Möglichkeit von Fehlentscheidungen reduzieren und die persönliche Freiheit deshalb in den Hintergrund zu treten hat.
    Letztere wiederum müssen sich das Argument entgegenhalten lassen, daß eine allwissende, auf Regeln basierende Position, die unabhängiges Handeln auf ein Minimum reduziert, nur der Angst vor negativer Publicity oder vor eventuellen, wegen eines Mangels an »Verantwortung« auftretender Rechtsstreitigkeiten entspringt. Diesen Kritikern erscheint es sehr fragwürdig, daß eine Industrie, die persönliche Freiheit und Initiative auf ihre Fahnen schreibt, gleichzeitig die Verwirklichung dieser Werte minimiert.
     
    Laut Krakauer erreichte er um fünf Uhr dreißig mit Ang Dorje nach einigen Unterbrechungen, die sie mehr als eine Stunde gekostet hatten, den Balkon in 8500 Metern Höhe. Dort setzten sie sich auf ihre Rucksäcke und rasteten.
     
    In 8400 Metern Höhe stieß ich auf Tiefschnee, kam aber ganz gut voran, weil Rob Halls Expedition vorgespurt hatte. Gegen sechs Uhr erreichte ich den Balkon, als der Himmel sich erhellte und in den schönsten Farben erstrahlte. Ein Blick zum Himmel und zum Lhotse-Gipfel, der genau in unserer Höhe war, zeigte mir, daß wir vom Wetter nichts zu befürchten hatten.
     
    Auf dem Balkon drängten sich die Kletterer dreier Expeditionen zusammen. Sie benutzten die Atempause auf diesem natürlichen Rastplatz von der Größe eines Motel-Zimmers, um die erste Sauerstoffflasche mit der zweiten zu vertauschen, zu trinken und – ausreichend Energie und Koordinationsvermögen vorausgesetzt – um Fotos zu schießen. Adams sagte, daß man sich in dieser Höhe von einem Ort, »wo man kaum denken kann, an einen begibt, wo man das überhaupt nicht mehr schafft«. Sie hatten die »Todeszone« erreicht, jenen vertikalen Bereich zwischen Lager IV und dem Everest-Gipfel, wo Kälte und Sauerstoffmangel zusammenwirken, um einen in die Knie zu zwingen. Sich oberhalb von Lager IV an einer Stelle länger aufzuhalten, ist so angenehm wie ein Picknick auf einem Minenfeld.
     
    Die Mountain-Madness-Kunden wußten, daß die zwischen Lager IV und dem Gipfel notwendigen Fixseile angebracht sein mußten, wenn sie den Balkon erreicht hatten. Sandy Pittman erinnerte sich: »Ich hörte, daß unsere und Rob Halls Sherpas Seile im voraus anbringen und schon um zweiundzwanzig Uhr losgehen wollten. Unser Aufbruch war für Mitternacht geplant.« Klev Schoening bestätigte: »Soviel ich wußte, sollte es so ablaufen.« Lene Gammelgaard stimmte mit ihnen überein: »Ich hörte Scott ausdrücklich sagen, die Seile würden bereits vorher angebracht, damit wir an keinem Punkt warten müßten.«
    Die meisten Teilnehmer der Expeditionen von Fischer und Hall sind sich darin einig, was hätte sein sollen. Es hatte geheißen, daß Ang Dorje, Halls Sirdar, und Lopsang Jangbu, Fischers Sirdar, lange vor den Kunden losgehen und die Fixseile befestigen sollten, um Wartezeiten beim Aufstieg zu vermeiden. Aber dem war nicht so. Keiner der Sherpas war rechtzeitig gestartet, um die Seile anzubringen.
    Bei der Lagebesprechung nach dem Aufstieg sagte Lopsang Jangbu, ein Mitglied der montenegrinischen Expedition, deren Gipfelversuch am 9. Mai gescheitert war, hätte zu ihm gesagt: »Schon Fixseil oben, du brauchst nichts.« Als Jon Krakauer seinen Bericht über die Expedition schrieb, zog er diese Erklärung in Zweifel und wandte ein, daß Führer von Fischers und Halls Expeditionen, denen man eine Änderung des Planes hätte mitteilen müssen, nichts erfuhren, und daß Lopsang Jangbu und Ang Dorje zusammen mit den Expeditionsteilnehmern aufbrachen und fast hundert Meter Seil mitschleppten. Dies war ein Vorgehen, »für das es keinen Grund gegeben hätte«, wären die Seile schon vorher durchgehend fixiert gewesen.
    Krakauers »Beweis« hat viele verärgert, da sie ihn für weit hergeholt hielten. Fischer kam am Abend des 9. Mai erst um siebzehn Uhr dreißig in Lager IV an und war nach übereinstimmenden Aussagen todmüde. Es ist durchaus denkbar, daß er, als er einen Bericht von

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