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Der Gipfel - Tragoedie am Mount Everest

Der Gipfel - Tragoedie am Mount Everest

Titel: Der Gipfel - Tragoedie am Mount Everest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anatoli Boukreev , G. Weston Dewalt
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einigermaßen würdig bestatten. Mehr bleibt einem nicht zu tun, wenn man in einer schlimmen Situation sein Bestes gab und die Katastrophe doch nicht verhindern konnte.
    Bei den Indonesiern sah ich die Chance, mich in einer Aufgabe zu bewähren, die sich mit meinen sportlichen Grundsätzen deckte und es mir auch erlauben würde, auf dem expandierenden Markt des Höhenbergsteigens meinen Lebensunterhalt zu verdienen. Ich hoffte, mich bei den Indonesiern als Trainer und Führer eines Kletterteams profilieren zu können.
    Ich muß auch gestehen, daß mein empfindliches Ego durch die amerikanische Presse tief getroffen war. Ohne den Beistand europäischer Kollegen wie Rolf Dujmovits und Reinhold Messner hätte die amerikanische Sichtweise meiner beruflichen Eignung auf mich noch niederschmetternder gewirkt.
    Nachdem ich mich Ende November in Kathmandu mit den Organisatoren des indonesischen Teams getroffen hatte, flog ich nach Djakarta zu einer Besprechung mit General Prabowo Subianto, dem nationalen Koordinator der Expedition. Ich machte ihm unmißverständlich klar, daß ich die gegenwärtigen Erfolgschancen minimal einschätzte. Ich nannte ihm eine Wahrscheinlichkeit von dreißig Prozent, daß auch nur ein Bergsteiger den Gipfel erreichte. Des weiteren erklärte ich, es stünde fünfzig zu fünfzig, daß jemand am Berg umkommen könnte. Diese Aussichten waren für mich persönlich nicht akzeptabel. Ich schlug daher ein ganzes Trainingsjahr vor, in dessen Verlauf man die Gipfelhöhe allmählich steigern sollte. Mein Vorschlag wurde abgelehnt.
    Ich komme aus einer Tradition, in der man Bergsteigen als vernunftbetonte sportliche Leistung fördert und nicht wie russisches Roulette betreibt. Der Tod eines Teammitglieds ist immer ein Fehlschlag, der den Gipfelerfolg zunichte macht. Über 8000 Meter sinkt die Sicherheitsmarge für den Amateur, auch für den durchtrainierten, überproportional. Ich konnte nicht für die Sicherheit einer Gruppe von Männern garantieren, die wenig oder gar keine Erfahrung auf den höchsten Gipfeln der Erde gesammelt hatten. Die Indonesier konnten sich meine Erfahrung kaufen, meine Ratschläge, meine Dienste als leitender Berater und als Mitglied eines Rettungsteams. Wenn sie aber auf den Gipfel des Mount Everest wollten, mußten sie einen Teil der Verantwortung für diese Anmaßung – denn das ist es für Unerfahrene – selbst übernehmen. General Prabowo versicherte mir, seine Leute seien überaus motiviert und tauglich, sie würden ihr Leben einsetzen, um dieses Ziel zu erreichen. Eine ehrliche, wenn auch schockierende Antwort.
    Ich entwarf nun für mich ein Tätigkeitsprofil, das den Indonesiern ausreichend Gelegenheit bot, von meiner Erfahrung zu profitieren, das aber daneben auch ihre Eigenständigkeit förderte. Letztendlich trägt jeder für seinen Ehrgeiz selbst die Verantwortung, und auf dem Everest wird es am Gipfeltag trotz aller geleisteter Vorbereitung immer ganz eng.
    General Prabowo stimmte zu, daß das Team vor Beginn der Expedition trainieren und Kondition aufbauen mußte. Ich wußte, daß wir Leute mit überragendem technischen Können und Höhenerfahrung brauchten, die während des Trainings und der Akklimatisation als Berater und am Gipfeltag als Rettungsteam zur Verfügung standen. Da das Konzept eines Rettungsteams für mich sehr wichtig war, legte ich besonderen Nachdruck darauf. Ich war nicht bereit, dem General einen Gipfelerfolg um jeden Preis zu garantieren.
    Ich führte aus, daß ich die Expedition nicht unternehmen konnte, wenn mir nicht die letzten Entscheidungen am Gipfeltag vorbehalten blieben. Der General mußte die Möglichkeit akzeptieren, daß die Verfassung der Männer oder die Bedingungen auf dem Berg einen einigermaßen sicheren Gipfelvorstoß verhindern konnten. Darüber würde ich entscheiden. Er mußte auch akzeptieren, daß über 8000 Meter auch das beste Rettungsteam keine hundertprozentige Sicherheit garantieren kann. Sollte es aber Probleme geben, war ich gewillt, mein Leben beim Rettungseinsatz zu riskieren. Das war die Grundlage des Abkommens.
    Unser Trainingsprogramm würde punktgenau ablaufen. Für den bevorstehenden Winter war eine Akklimatisation bei Kälte und Wind bis in einer Höhe von 6000 Meter vorgesehen. Wir würden Ausdauer und mentale Disziplin unter den harten Bedingungen testen, die uns auf dem Everest erwarteten. Das Trainingsprogramm sollte am 15. Dezember in Nepal beginnen.
    Vierunddreißig Personen, Zivilisten mit einiger

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