Der Gipfel
erhöhte Basis aufzuschütten, damit unsere Zelte vor den Eiswasserpfützen, die sich an warmen Tagen bildeten, verschont blieben. Er hatte mit seinen Leuten auch Steinmauern für unsere Lagerküche errichtet und zwischen unseren Zelten begehbare Verbindungspfade angelegt, damit sich keiner den Knöchel brach.
Am Nachmittag stürzte ich mich an der Seite der Sherpas in die Arbeit und schuftete mit ihnen täglich bis zur Ankunft unserer Gruppe. Morgens um acht, wenn die Sonne die Zelte beschien, stand ich auf, trank dampfend heißen schwarzen Tee mit Milch und machte mich sofort an die Arbeit. Gegen zehn Uhr legten wir eine Pause ein und stärkten uns. Es gab Tschapati genannte Fladenbrote mit Eiern, Hafergrütze oder Tsampa, einen Gerstenbrei. Erst am Abend wurde »groß« gegessen: Reis, Linsen, Knoblauchsuppe und was die Träger an den Vortagen an frischem Gemüse gebracht hatten. Für viele Touristen ist das ein eintöniger Speisezettel, ich aber hatte mich in meinen Jahren im Himalaja daran gewöhnt und zog die einheimische Küche den ausgefallenen Fertigmenüs vor, mit denen sich die meisten Expeditionen eindecken. Kohlehydratreich und immer mit viel heißer Flüssigkeit genossen, ist die Sherpa-Kost ideal für die Anforderungen extremer Höhenlagen.
Die schwere Arbeit in großer Höhe gehörte zu meinem Akklimationsprogramm. Mir lag daran, durchtrainiert und aktiv zu bleiben und die Anpassung an die Höhe zu beschleunigen. Ich genoß den geregelten Tagesablauf und den Arbeitsrhythmus und war jeden Abend so rechtschaffen müde, daß ich sofort einschlief.
8 Fischer sah in Lopsang einen Freund und Schützling. Der junge Mann war stark und zeigte natürliche Begabung für das Hochgebirgsklettern. Fischer mochte ihn sehr, und Lopsang betrachtete Fischer als persönlichen Freund und als Helden. Er arbeitete für ihn, obwohl Fischer weniger bezahlte als seine Konkurrenten.
7. Kapitel Im Basislager
Während Boukreev noch am Abend des 6. April ins Basislager zurückkehrte, blieb die Mountain-Madness-Gruppe in Gorak Shep. Man wollte auf das Yak-Team und den letzten Versorgungstreck warten. Bis zu diesem Zeitpunkt war der Großteil der für das Basislager benötigten Vorräte von Trägern transportiert worden, die so viel heranschaffen konnten, um Boukreev und das Vorausteam der Sherpas zu versorgen. Die Expeditionsteilnehmer aber mußten warten, bis die Yaks mit dem restlichen Nachschub eingetroffen waren, ehe sie das Basislager beziehen konnten.
Die Yak-Karawanen sämtlicher Expeditionen waren nur ganz langsam vorangekommen. Am Tag vor der Ankunft in Gorak Shep, nach dem Aufbruch aus Lobuche, war das Mountain-Madness-Team auf einige seiner Yaks gestoßen, die bis zum Hals im Schnee steckten und darauf warteten, von ihren verzweifelten Treibern mühsam ausgegraben zu werden.
Um die Zeit in Gorak Shep totzuschlagen und die Akklimatisation zu beschleunigen, unternahmen Fischers Leute einen Tagesausflug und bestiegen den Kala Pattar (5554 Meter), einen Nebengipfel. Dort bot sich ihnen ein freier und eindrucksvoller Ausblick auf den Khumbu-Eisbruch – das erste anspruchsvolle Hindernis, das sie auf ihrem Weg zum Everest-Gipfel zu überwinden hatten. Auf dem Kala Patta erlebten einige Teilnehmer den Übergang von der Planung in die Realität und das damit verbundene Gefühl innerer Zerrissenheit, das sich bei vielen Bergsteigern einstellt, wenn sie ihr Ziel greifbar vor Augen haben. Es war das, wofür sie ihre Schecks ausgestellt hatten.
Am 8. April, einem Montag, nahm Fischers Team das letzte Wegstück in Angriff. Einige hundert Meter nördlich der Sandfläche von Gorak Shep stieß man auf einen Pfad, der zu einer Moräne und weiter auf den Khumbu-Gletscher führte. In drei Stunden erreichte die Gruppe, der ausgetretenen Spur der Träger und Yaks folgend, das Everest-Basislager.
Erst nachdem sie sich in einer Mondlandschaft aus Geröll vorsichtig von Stein zu Stein getastet hatten, um sich nicht die Knöchel zu brechen, erreichten sie den Lagerplatz. Vorrangige Aufgabe der Teilnehmer war nun das Aufstellen der Zelte. Unter Mithilfe der Sherpas gingen sie daran, den Boden einzuebnen und ihre Bleibe für die nächsten Wochen aufzustellen.
Mit der Ankunft der Kunden ging mit den Sherpas, meinen Arbeitskameraden, eine Verwandlung vor sich. Allmorgendlich erschienen sie nun in den Zelten und weckten die Leute mit Tee und Kaffee und einem fröhlichen ›Guten Morgen‹! Im Essenszelt standen ständig
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