Der Gipfel
Thermosflaschen mit Kaffee bereit, es gab Sportdrinks, Kraftriegel und Dörrfleisch. Die Mahlzeiten waren oft schwer, Pizza oder Stew und ähnliches. Mir war die Sherpa-Kost lieber – sie mochte eintöniger sein, war aber leichter verdaulich und meiner Erfahrung nach in dieser Höhe viel bekömmlicher. Es gab heiße Duschen und Postzustellung. Wir hatten sogar ein Kommunikationszelt für Sandy Pittmans Sende-Equipment: Satellitentelefon, Computer und Solarblöcke zur Energieversorgung. Das Basislager bot mehr Komfort als viele Hotels in Kathmandu, jedenfalls mehr als das Skala, in dem ich oft wohnte.
Der Komfort vermochte nicht alle Schwierigkeiten wettzumachen. Einige Teilnehmer hatten Probleme mit der Höhe, während andere, vor allem die Everest-Neulinge, ihre Körperfunktionen mit wahrer Besessenheit beobachteten. Ein Basislagerbewohner bemerkte: »Die Leute waren völlig mit sich selbst beschäftigt, überwachten ständig ihren Körper – ob sie pinkelten oder nicht, wie ihr Harn aussah, ob sie täglich Stuhlgang hatten, ob sie an Übelkeit oder Kopfschmerzen litten oder nicht.« Niemanden ließ sein gesundheitlicher Zustand unberührt. Ein simples Magen-Darm-Problem oder eine Infektion der Atemwege konnte den Traum vom Gipfelsturm zunichte machen, eine Schlappe, die keiner hinnehmen wollte. »Sogar Hypochonder schaffen es, hier krank zu werden«, brachte es einer der Teilnehmer auf den Punkt.
Neal Beidleman sollte im Basislager sehr bald zum Sorgenkind werden. Kurz nach der Ankunft überfiel ihn der ›Khumbu-Husten‹ 16 . Er »hustete sich die Seele aus dem Leib«, schilderte einer der Basislagerbewohner die Situation. »Er hustete die ganze Nacht und konnte nicht schlafen. Dr. Hunt gab ihm alles, Steroide gegen die Entzündung, bronchienerweiternde Mittel. Nichts half.« Zwar hatten auch andere, darunter Sandy Pittman, mit ähnlichen Problemen zu kämpfen. Beidlemans Zustand aber gab Anlaß zu größerer Besorgnis. Seine Aufgabe war es, die Gruppe auf den Gipfel zu bringen. Die Expedition mußte ohnehin schon mit einem Führer weniger auskommen, als ursprünglich vorgesehen. Falls Beidleman sich nicht erholte, war es zweifelhaft, ob Fischer es allein mit Boukreev und den Sherpas schaffen würde, alles zu bewältigen.
Auch Ausrüstungsprobleme tauchten auf. Eines, das sich sehr bald bemerkbar machte, waren die Funkgeräte, die Fischer mitgebracht hatte. Als Kommunikationsmöglichkeit zwischen Basislager und Gipfelmannschaft sind Funkgeräte bei allen Vorkommnissen wie Notfällen, Ausrüstungsmängeln, Wetterumstürzen oder medizinischen Fragen unentbehrlich und gehören zur Grundausstattung einer Expedition. Ein erfahrener Bergsteiger macht sich daher Gedanken über die Funkgeräte seiner Expedition, und das tat auch Martin Adams. »Heutzutage gibt es diese kleinen, superleichten Geräte, die jeder haben sollte, weil ihr Gewicht minimal ist. Der Gebrauch ist kinderleicht – zwei Tasten – an und aus. Holt Scott doch glatt ein paar von diesen alten Dingern mit zehn Kanälen heraus, und ich fragte: ›Sollen wir die etwa benutzen?!‹ Und er sagte: ›Ja, etwas anderes habe ich nicht.‹ Für mich waren die Geräte ein Witz. Es war ein schwerer Fehler, diese antiquierten Modelle mitzunehmen.«
Zu meinen dringlichsten Aufgaben im Basislager gehörte das Erstellen eines Akklimatisationsplanes. Dieser Plan sah vor, daß die Teilnehmer sich einige Tage im Basislager aufhalten sollten, bis sie sich an die Höhe gewöhnt hatten. Dann wollten wir mit Touren beginnen, vom Basislager ausgehend in immer höhere Lager, die unsere Sherpas errichten würden. Auf diese Weise gewöhnt man sich allmählich an größere Höhen, so daß man am Tag des Gipfelsturms kurz bis zur Maximalhöhe vorstoßen kann, um anschließend auf einer Höhe, an die man sich angepaßt hat, auszuruhen.
Der von Scott und mir ausgearbeitete Plan sah vier Akklimatisationstouren vor. Die erste würde uns auf 6100 Meter bis Lager I führen, in dem wir bei diesem ersten Ausflug jedoch nicht die Nacht verbringen würden. Auf dieser wie auf allen anderen Eingehtouren würden die Leute nur das Allernötigste an Gepäck mitnehmen, um Kräfte zu sparen. Seile und alles andere würden unsere Sherpas, die Lopsang Jangbu unterstanden, hinaufschleppen.
Nach diesem ersten Anstieg auf 6100 Meter würden wir noch am gleichen Tag zum Basislager zurückkehren, um die Teilnehmer nicht zu überfordern. In der anschließenden Ruhephase sollte sich das Team
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