Der Gipfel
ihren Erfolg. Wie vorauszusehen, waren die Kunden genauso froh über die zwei Ruhetage, die die Sherpas brauchten, um in Lager I Zelte aufzustellen und Vorräte für unseren nächsten Ausflug hinaufzuschaffen. Dabei wollten wir zum ersten Mal oben übernachten.
Während dieser Ruhepause äußerte Boukreev offen seine Zweifel hinsichtlich einiger Teilnehmer. Obgleich er mit der allgemeinen Leistung zufrieden war, hatte Boukreev Bedenken, ob Dale Kruse und Pete Schoening dem bevorstehenden Aufstieg gewachsen sein würden. Aber Fischer beruhigte ihn: »Pete wird auf mich hören. Er hat Erfahrung. Bei ihm wird der Ehrgeiz nicht über die Realität siegen.« Und über Kruse: »Dale ist ein alter Freund, ihn werde ich mit Leichtigkeit umstimmen können. Für ihn ist es keine so große Sache. Er wird sich ein gutes Essen gönnen und im Basislager ein Bier heben. Alles kein Problem.«
Einem Mitglied seines Hilfsteams vertraute Fischer an, daß Kruse ihm Sorgen mache und er von ihm enttäuscht sei. Auf dem Weg zum Basislager und in den ersten dort verbrachten Tagen hatte Kruse sich von der Gruppe distanziert, sich »un gesellig« gezeigt und »seine eigenen Runden gedreht«. Fischer wußte, daß Kruse zu kämpfen hatte, »aber es nervte Scott von Anfang an.« Und Scott sagte nur: »Er muß es mit sich selbst ausmachen.« Fischer vertrat die Meinung, Kruse müsse sich durch das Problem allein durchbeißen. Ein Beobachter sah es so: »Ich glaube, Dale litt die ganze Zeit über. Seine emotionale Verfassung machte ihn sicher zum schwächsten Glied unseres Teams, obwohl er nie offensiv wurde. Er war nur sehr, sehr still. Könnte sein, daß die Höhe ihm zu schaffen machte. Ich glaube, daß er über 5000 Meter unter der dünnen Luft litt. Er sagte aber kein Wort. Man wurde wirklich nicht schlau aus ihm.«
Wie an die Höhe galt es auch, sich aneinander zu gewöhnen. »Ehe wir nach Kathmandu kamen, kannten wir einander nicht so gut«, sagte einer. »Es war wie ein Überraschungs-Rendezvous. Anfänglich hat man nur eine gemeinsame Moti vation: den Berg. Erst kommt es zu einem gegenseitigen Abtasten, bei dem man sich beschnuppert. In größerer Höhe möch te man dann schon wissen, mit wem man klettert. Wenn es brenzlig wird, kann man nicht einfach ein Taxi rufen und nach Hause fahren. Wenn man bedenkt, daß wir kunterbunt zusammengewürfelt waren, war es erstaunlich, daß wir mit wenigen Ausnahmen eine relativ homogene Gruppe bildeten.«
Übereinstimmend wird Tim Madsen als zurückhaltend geschildert, als Einzelgänger. »Still, daß es nicht stiller geht«, wie ihn einer seiner Kameraden charakterisierte. »Ähnlich wie Dale, wie ein geschlossenes Buch.« Obwohl Madsen und Kruse »nicht paßten«, kamen sie mit allen gut aus. Tatsächlich erinnerte sich einer der Mountain-Madness-Leute, daß alle außer Sandy Pittman und Lene Gammelgaard »verdammt gut« miteinander konnten.
»Mir fiel auf«, sagte einer aus dem Basislager, »daß sich nach einer Weile ein Konkurrenzkampf zwischen Sandy und Lene entspann. Lene hielt Sandy für eine Angeberin. Sandy ist Multimillionärin, die mit Namen wie Ivana Trump und Tom Brokaw um sich schmeißt. Sie renommiert mit ihren Bekannten, gibt mit ihrer Schreiberei an, pocht auf ihren großen Einfluß. Andererseits klopft Lene immer ihre Sprüche von Freiheit und Unabhängigkeit. Ich glaube, die Motivation der beiden beruhte nicht so sehr auf der Liebe zum Bergsteigen, sondern auf der Suche nach Identität. Neal war auf beide schlecht zu sprechen. Nicht, daß er sich aufgeregt hätte, aber er mußte richtig die Zähne zusammenbeißen, um es mit diesen zwei Frauenzimmern auszuhalten. Neal wurde mit der Zeit richtig sauer.«
Aus derselben Quelle verlautete, daß sich zu Beidlemans Schwierigkeiten mit Sandy auch deren Probleme mit ihrer Elektronik gesellten. »Sie kannte sich mit ihren Geräten nicht aus. Ich wette, daß er (Beidleman) mehr als fünfundzwanzig Stunden für ihren Kram vergeudet hat, so daß ich zu ihm sagte ›Neal, ehe du noch mehr Zeit vertust, ruf NBC an und verlange deinen Stundensatz. Es geht um NBC, um Himmels willen.‹ Man hat ihr keinen Techniker als Beistand nachgeschickt. ›Sollen die doch dafür zahlen‹, sagte ich. Er aber sagte ›Kommt nicht in Frage.‹ Und ich dachte mir: ›Wie kann man so blöd sein!‹«
Während all dem »versuchte Scott, cool zu bleiben«, sagte ein Vertrauter Fischers. »Er wollte sich nicht in ihre (Sandys und Lenes) Querelen hineinziehen
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