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Der Gipfel

Der Gipfel

Titel: Der Gipfel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anatoli Boukreev , G. Weston DeWalt
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ins Lager gelangt und wurde total benommen und blutigen Schleim hustend aufgefunden. Angesichts der Symptome war die Diagnose klar: Höhenlungen ödem. Während die medikamentöse Therapie noch umstritten ist, gilt es als sichere, lebensrettende Maßnahme, daß der Erkrankte unverzüglich um 610 bis 1220 Meter absteigen muß. Lager II lag aber nur 400 Meter höher als Lager I, so daß man den Sherpa über den Khumbu-Eisbruch ins Basislager befördern mußte, um ihn auf eine Höhe zu bringen, auf der seine Symptome abklingen konnten.
    Da sich in Lager II keine Bergführer befanden, wurde die Rettungsaktion von Klev Schoening und Tim Madsen organi siert, die sich dort zur Akklimatisation aufhielten. Fischer war am Morgen abgestiegen, und Boukreev und Beidleman ruhten sich im Basislager von ihrem letzten Akklimatisationsanstieg aus. Boukreev, der wußte, daß es bei einer Rettungsaktion vor allem auf Eile ankam, riet ihnen: »Schafft ihn ganz rasch herunter. Gebt ihm Sauerstoff.« 21

    Mich wunderte in dieser Situation sehr, daß die Sherpas aus dem Basislager nicht unverzüglich aufstiegen, nachdem sie von Ngawang Topches Erkrankung erfahren hatten. Ich hatte es eigentlich erwartet, da er wie Lopsang Jangbu und viele andere unserer Träger aus dem Rolwaling-Tal stammt. Sie stiegen erst später auf. Aus welchem Grund weiß ich nicht, doch ihr Verhalten weckte Zweifel in mir, was wir in einem Notfall von den Sherpas wohl erwarten konnten. Die Leistungsfähigkeit dieser Einheimischen in extremer Höhe ist sehr groß, doch darf man deshalb nicht von vornherein annehmen, daß sie sich in einer kritischen Situation so verhalten, wie man dies erwartet. Nicht, weil sie dazu nicht imstande wären, doch scheuen sie das Risiko, wenn man ihnen etwas zumutet, das nicht in den Aufgabenbereich und in die Verantwortung fällt, für die sie bezahlt werden.

    Da die Behandlung bei Ngawang Topche keine Wirkung zeigte, beförderten Klev Schoening und Tim Madsen ihn mittels eines provisorischen Schlittens bergab. Unterdessen hatten sich Neil Beidleman und einige Mountain-MadnessSherpas aus dem Basislager schon auf den Weg durch den Eisbruch gemacht, um ihnen entgegenzugehen. Kurz vor Einbruch der Dunkelheit übernahmen sie den Kranken von Madsen und Schoening, die im Lager I blieben, damit sie ihren Akklimatisationsablauf nicht unterbrechen mußten.
    Am Morgen des 23. April wurde die ursprünglich geplante Tour eingehalten. Man entschied, daß Beidleman, dem großes Lob dafür zuteil wurde, daß er den Kranken bei Dunkelheit über den Eisbruch geschafft hatte, seinen Aufbruch bis zum Nachmittag oder auf den nächsten Tag verschieben sollte, je nachdem, wie rasch er sich von den Strapazen erholte.
    Am Morgen betätigte sich Fischer schon vor dem Frühstück in Sandy Pittmans Kommunikationszelt. Er hielt nicht nur Kontakt zu seinem Büro in Seattle und spielte auch aus der Ferne den Boss, sondern er gab auch regelmäßig Nachrichten an Jane Bromet, seine PR-Agentin, durch. Sie war noch immer als Korrespondentin für Outside Online 22  tätig, obwohl sie das Basislager verlassen hatte und wieder zu Hause in Seattle saß.
    Neben den zur Veröffentlichung bestimmten Nachrichten lieferte Fischer Jane auch Insider-Impressionen, sozusagen Everest pur, die nicht auf dem Monitor der Lehnstuhl-Alpinisten in Milwaukee, die sich während der Fernsehwerbung ins Internet einklickten, zu sehen sein würden. Eines seiner immer wiederkehrenden Themen war das Geld und wie rasch es sich in diesen Höhen verflüchtigte.
    Ein Geschäftspartner Fischers sagte: »Ich glaube, es war für ihn ein gewaltiger Streß, zumal als die Sache mit Ngawang passierte. Immerzu ging ihm im Kopf herum: ›Mensch, der Bursche liegt womöglich jahrelang im Koma – wer soll das bezahlen?‹ Vor allem das Geldproblem belastete ihn enorm. Er versuchte es wohl einfach zu verdrängen, obwohl es immer bedrückender wurde. Und dazu der Gedanke: ›Jetzt steige ich auf diesen Berg, und wenn es hoch kommt, fahre ich mit zehntausend Lappen in der Tasche nach Hause. Da stimmt doch etwas nicht.‹«
    Lene Gammelgaard schuldete Mountain Madness noch immer über 20.000 Dollar. Der Sauerstoffvorrat, von dem Pete Schoening und andere zehrten, die mit jeder Flasche 325 Dollar inhalierten, schmolz bedenklich zusammen. Fischer mußte damit rechnen, den kranken Sherpa per Hubschrauber nach Kathmandu ausfliegen zu lassen (eine kostspielige Maßnahme). Seine eigene körperliche Erschöpfung ging

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