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Der Gipfel

Der Gipfel

Titel: Der Gipfel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anatoli Boukreev , G. Weston DeWalt
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sich herumschlagen mußte, viel Kraft gekostet hatten. Dazu kam der Umstand, daß er sich nach seiner letzten Akklimatisationstour zu wenig Ruhe gegönnt hatte.

    Scott kam zu mir und begrüßte mich freundlich, um mich gleich darauf mit der Äußerung zu überraschen: »Anatoli, beim letzten Anstieg hast du dich aber nicht sehr ausgezeichnet.«
    Der verdutzte Boukreev wußte nicht, wie ihm geschah. Er selbst war zufrieden mit seiner Arbeit und den Leistungen der letzten Tage. »Was ist mit meiner Arbeit?« fragte er Fischer, der daraufhin freundlich, aber bestimmt sagte: »Du sollst dich um unsere Kunden zu wenig gekümmert haben. Beim Aufstellen ihrer Zelte in Lager II hast du ihnen nicht geholfen.« Boukreev, der nicht einsah, was an seinem Verhalten unkorrekt gewesen sein sollte, sagte, daß er in Lager II noch vor Eintreffen der anderen gemeinsam mit den Sherpas das Essenszelt aufgebaut hatte. Danach habe er sich ausgeruht. Gewiß, er hatte den Kunden nicht geholfen, weil es aussah, als hätten sie keine Hilfe nötig, und weil er glaubte, daß ein wenig Betätigung unterwegs gut für ihre Akklimatisation sein würde. Fischer war da anderer Meinung.

    Langsam dämmerte mir, daß ich die Gründe, deretwegen ich angeheuert worden war, mißverstanden hatte oder daß sich die in mich gesetzten Erwartungen irgendwie verschoben hatten. Ich hatte geglaubt, Scott legte vor allem Wert auf meine Erfahrung, die eine gewisse Sicherheitsgarantie für die Kunden darstellte. In diesem Sinne hatte ich meine Arbeit getan und mich auf Dinge konzentriert, von denen ich glaubte, daß sie zum Erfolg beitragen könnten. Vor allem hatte ich versucht, die Probleme auszuschalten, die uns von einem Gipfelvorstoß abhalten konnten. Daß es ebenso wichtig, wenn nicht noch wichtiger war, mit den Kunden zu plaudern und sie bei Laune zu halten, indem ich mich um ihr persönliches Wohlbefinden kümmerte, war mir nicht klar. Ich kannte etliche Führer in Amerika, die für diese Zwecke viel geeigneter waren, wenn sie auch weniger Erfahrung im Höhenbergsteigen aufzuweisen hatten.

    Boukreev, der sehr stolz auf seine Fähigkeiten als Bergsteiger war, sah sich nun einem Dilemma gegenüber. Worauf sollte er sich konzentrieren? Würde er es schaffen, das zu tun, von dem er glaubte, daß es ursprünglich von ihm erwartet worden war und zusätzlich Fischers Erwartungen zu erfüllen? Er wandte sich ratsuchend an Beidleman.

    Ich besprach das Problem mit Neal und erklärte ihm meine Bedenken. Er sagte: »Anatoli, einige aus unserer Gruppe sind zum ersten Mal an einem Achttausender und haben von den einfachsten Dingen keine Ahnung. Sie wollen, daß wir ständig mit ihnen Händchen halten.« Ich antwortete, daß mir das absurd vorkäme, und wiederholte, daß wir die Eigenverantwortung der Leute fördern müßten. Ebenso wichtig aber sei es, die Route vorzubereiten und Fixseile anzubringen. Neal widersprach mir und sagte, daß wir für diese Aufgabe genügend Sherpas hätten. Darauf wandte ich ein, daß angesichts unserer derzeitigen Situation damit zu rechnen sei, daß die Hochlager nicht rechtzeitig zur Verfügung stehen würden und unser Akklimatisationsprogramm gefährdet sei.

    Neal, wie immer ruhig und gelassen, beruhigte mich: »Anatoli, alles wird sich finden. Beim letzten Aufstieg fühlten wir uns tadellos, was schließlich die Hauptsache ist. Die Hälfte der Gruppe hat ohne hin keine Erfolgschance. Für viele wird der Aufstieg am Südsattel (7900 Meter) zu Ende sein. Für mich steht fest, daß du über 8000 Meter im entscheidenden Moment ganze Arbeit leisten wirst. Alle werden es sehen und dann auch zu schätzen wissen.«

10. Kapitel Erste Verzögerungen
    Am 21. April, unserem zweiten Ruhetag, erhielten wir über Funk Nachricht von Scott, der die letzte Nacht mit Pete Schoening in Lager II verbracht hatte. Er sagte, daß es die ganze Nacht gestürmt habe, manchmal mit Windgeschwindigkeiten bis hundert Stundenkilometern. Mit Hilfe der Sherpas hätten sie einige Zelte abgebaut, damit sie nicht zerfetzt und vom Berg geweht würden. Auch im Basislager hatten wir den Sturm zu spüren bekommen, der nachts an meinem Zelt rüttelte.
    Während dieser Ruhepause nahm unsere Expeditionsärztin Dr. Ingrid Hunt an einigen Kunden und Führern mit einem Puls-Oxymeter einen Test vor, um die Sättigung des Blutes mit Sauerstoff zu bestimmen. Wie immer lag Boukreevs Wert etwas über 90, was für die Meereshöhe normal war und an zeigte, daß er und Fischer, der

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