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Der Gitano. Abenteuererzählungen

Der Gitano. Abenteuererzählungen

Titel: Der Gitano. Abenteuererzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Habt Ihr nicht Lust, zu wenden, Sir John Emery?«
    Er warf die ausgerauchte Cigarette über Bord und schielte mir über den vorgerutschten Klemmer ironisch in das Gesicht.
    »Was Ihr für ein gewaltiger Admiral seid, mein lieber Charley! Ihr seid ein ganz prächtiger Kerl, aber bis zum vollkommenen Gentleman habt Ihr es doch noch nicht gebracht, und vom Seemann steht Ihr auch noch weit entfernt. Ob der Chinese an einem Punkte der Küste angelegt hat oder nicht, das bleibt sich für uns ganz gleich. Wir können ihn nur auf offener See abfangen. Da wir nicht wissen, wo er ankert, so müßten wir jede Bucht und Bai der Küste mühevoll absuchen, und dabei ginge er uns auf und davon, ohne daß wir ihm
good bye
sagen könnten. Ich werde allerdings wenden, aber nur um zwischen Süd und Nord zu kreuzen.«
    »So haltet Euch wenigstens Etwas näher an das Land und gebt mehr auf das Lee acht, denn ich glaube nicht, daß ein Frauenräuber, der dieses Geschäft vielleicht im Großen betreibt, sich in die belebten Wasser von Batticaloa wagt. Er ist jedenfalls nur zwischen ihnen und der Breite von Dowandara zu finden.«
    »Charley, Ihr seid doch nicht ganz so unrecht, wie ich dachte, denn Eure Ansicht scheint mir viel für sich zu haben. Ich werde Euch folgen und der Yacht einige Knoten mehr geben!«
    Er nahm das Sprachrohr zur Hand, befahl die Leute an die Brassen, und bald beschrieb das Schiff einen Bogen von Nord über West und legte dann auf Südwest ein. Jetzt legte sich der Passat straff in das Leinen; die Maschine arbeitete mit voller Kraft, und wir flogen vor dem Winde wieder auf Cap Thunder-Head zurück, welches wir am frühen Morgen douplirt hatten.
    Noch immer saß Walawi auf dem Maste; er war nicht dazu zu bringen, sich ablösen zu lassen, und blieb um so fester auf seinem Posten, als wir kurz nach Mitternacht südlich von Batticaloa Küstenwasser erreichten. Heut ging keiner von den Männern, welche sich auf der Yacht befanden, zur Ruhe, eine Ausdauer, die auch ihre Belohnung fand, denn es ertönte vom Ausguke der Ruf:
    »Feuer grad in West!«
    »Schnell an die Reffs; zieht alle ein!« befahl sofort Walpole. »Maschinist, halbe Kraft! Mann am Steuer, dreh um auf Ost bei West!«
    Im Nu waren sämmtliche Segel eingezogen und die Yacht ging langsam und geräuschlos grad auf die Küste zu. Je näher wir ihr kamen, desto mehr wurde das Feuer auch Denen sichtbar, welche sich auf dem Decke befanden. Der Himmel röthete sich immer stärker, und endlich waren die Flammen, welche von der Erde emporloderten, deutlich zu erkennen.
    »Ein Schiff in Sicht, grad vor dem Bug!« rief Walawi von oben herab.
    »Geht es vorüber oder liegt es fest?« frug Walpole.
    »Es hat beigelegt gehabt, zieht aber jetzt die Leinwand auf.«
    »Fahr es an, Mann am Steuer, fahr es an und dreh bei an seinem Luv!«
    Als wir dem Fahrzeuge näher kamen, erkannten wir es als eine chinesische Dschonke.
    »Konstabel, leg Kartätschen ein!« commandirte Walpole. Er hatte also nicht die Absicht, es durch den gewöhnlichen blinden Schuß zum Flaggenziehen zu bewegen. Der Steuermann schloß dies aus dem Commando und drängte die Yacht so nahe an die Dschonke, daß diese mit der Stimme angesprochen werden konnte.
    »Stopp, Maschinist; fertig mit den Waffen!«
    Es war ein eigenthümliches Gefühl, welches mich in diesem Augenblicke erfaßte. Wir waren im Ganzen nur elf Mann auf der Yacht; die Bemannung des Chinesen mußte uns weit überlegen sein. Walawi war zu uns herabgekommen und hatte den blitzenden Kris in der Faust.
    »Wollt Ihr hinüber, Sihdi?« frug er. »Es sind nur wenig Leute drüben; die Andern stoßen eben vom Lande.«
    »Laß erst sehen! Verstehst Du Chinesisch?«
    »Was ein Schiffer wissen muß.«
    »Ruf die Dschonke an!«
    Der Singhalese that es. Statt der Antwort flog drüben eine leuchtende Rakete in die Höhe.
    »Sie geben das Warnungssignal; es sind Räuber und Mordbrenner. Hoihoo! Leg hart an zum Entern und stoß dann allein weit ab!«
    Die Yacht gehorchte dem Befehle und legte Seite an Seite mit der Dschonke. Nur der Steuermann und der Maschinist blieben zurück, wir andern Neun sprangen hinüber. Der Chinese hatte nicht Anker geworfen, sondern nur beigedreht und nicht mehr Leute an Bord, als zur Ueberwindung der Abtrifft unbedingt nöthig waren. Sie waren nach kurzer Gegenwehr überwältigt und wurden schnell gefesselt. Das Schiff war der Jao-dse, welchen wir suchten.
    Die vom Lande abgestoßenen Kähne waren mittlerweile näher gekommen.

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