Der Gitano. Abenteuererzählungen
Ihre Insassen hatten das Signal und ebenso auch den Dampfer bemerkt, welcher sich trotz seiner Kleinheit nicht vollständig hinter der Dschonke zu verstecken vermochte. Da er aber weit von derselben abgetrieben war, so glaubten sie ihn nur in Verhandlung mit den Ihrigen und ahnten nicht, daß wir an Stelle der Letzteren sie in Empfang nehmen würden.
Als sie den Jao-dse erreichten, warfen wir das Fallreep und die Leitern hinab. Sie legten die Boote an die Taue und kamen, ihre Ladung einstweilen im Stiche lassend, rasch auf Deck geklettert, um vor allen Dingen zu wissen, was es mit der Yacht für eine Bewandtniß habe. Sie wurden nach Kräften empfangen. Es entspann sich ein Kampf, der uns zwar einige Wunden kostete, aber doch mit unserm Siege endete. Wir hatten ihn dem glücklichen Umstande zu verdanken, daß die Boote nicht zugleich, sondern ein’s nach dem andern anlangten und wir also Zeit behielten, die Feinde einzeln zu überwinden.
Sie wurden ebenso wie die Vorigen gefesselt und dann sammt und sonders nach der Yacht übergeführt. Während dies geschah, stieg ich mit Walpole in die Kähne hinab. Wir fanden sie voll gefangener Frauen und Mädchen, von denen wir erfuhren, daß ihr Dorf von den Chinesen überfallen worden sei. Die erschrockenen Männer waren einfach davongelaufen, die Frauen aber hatte man, so viel ihrer habhaft wurden, zusammengebunden und mitgenommen, nachdem die primitiven Hütten des Ortes in Brand gesteckt worden waren.
Die Töchter Eva’s erhoben ein wahrhaft betäubendes Jubelgeschrei, als sie hörten, daß sie ihre Freiheit zurückerhalten würden. Walpole machte ihrem Danke ein schnelles Ende. Nachdem wir ihre Bande zerschnitten hatten, gebot er ihnen, an das Land zurück zu rudern. Sie kamen diesem Befehle schleunigst nach, denn die Kähne, welche auf diese Weise in ihrem Besitze blieben, waren jedenfalls mehr werth, als die sämmtlichen Schilf-und Basthütten ihres niedergebrannten Dorfes.
Nun wurde die Ladung des Jao-dse untersucht. Sie bestand aus Zimmt, Reis, Tabak, Ebenholz, Kaffee und – geraubten Frauen. Diese Letzteren waren sämmtlich in der Gegend von Point de Galle aufgegriffen worden, und unter ihnen befand sich auch Kaloma, die »Schönste unter den Frauen der Vayisa’s«, wie sie von Walawi, ihrem zärtlichen Gatten, genannt worden war. Das Glück der beiden Leute war unermeßlich und ebenso unbeschreiblich klangen die Ausdrücke, in denen sie dem großen Maharadscha aus Anglistan ihren Dank ausdrückten.
Als es Morgen wurde, war alle nothwendige Arbeit vollbracht. Die Dschonke zog einiges Segelwerk auf und wurde von der Yacht in’s Schlepptau genommen. Wir douplirten Cap Thunder-Head zum zweiten Male, nur jetzt im entgegengesetzten Course und langten gegen Abend wieder in Point de Galle an, wo unser Erscheinen nicht wenig Aufsehen erregte. Es stand ja fast beispiellos da, daß ein kleiner Privatdampfer sich an einen wohlbemannten »Girl-robber«, wie sie von China aus die dortigen Gewässer zuweilen unsicher machen, gewagt hätte. Das größte Erstaunen aber erregte diese Nachricht bei dem Mudellir, welchem wir unsre Gefangenen zur Bestrafung und den Jao-dse zum Rechtsspruche überlieferten. Er hatte das Schiff für ein unschädliches Handelsfahrzeug und den Schiffer für einen rechtschaffenen Mann gehalten und daher auch – jedenfalls aber in Folge eines ansehnlichen Geschenkes – unsern armen Walawi zum Tode des Ertränkens verurtheilt, weil dieser einen jedenfalls nur zufälliger Weise an seine Hütte verirrten Matrosen des Chinesen kurzweg erstochen hatte.
Er benahm sich außerordentlich freundlich gegen uns und bat Walpole, der mächtigen Königin in Anglistan von seiner Weisheit und Gerechtigkeit zu erzählen. Dieser versprach es ihm, warf ihm dabei aber über den mächtigen Klemmer einen Blick zu, in welchem etwas ganz Anderes als die Anerkennung der gerühmten Weisheit und Gerechtigkeit lag.
Wir kehrten in das Hotel Madras zurück, wo wir dieselben Zimmer wieder bekamen, welche wir vorher bewohnt hatten. Als wir auf dem Divan Platz nahmen, um unser Abenteuer in der Erinnerung noch einmal zu durchleben, meinte der gute Sir John Emery:
»Seht Ihr nun, daß ich meine beiden Wetten richtig gewonnen hätte?«
»Ich sehe es, aber eben deshalb wette ich nie.«
»Das ist kein Grund, denn Ihr könnt doch einmal glücklich sein und gewinnen. Ihr seid ein ganz prächtiger Kerl, Charley, aber wenn Ihr Euch so vor dem Verlieren fürchtet, werdet Ihr es in Eurem
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