Der Gitano. Abenteuererzählungen
Paulowna?«
»Sind Eure Ewigkeiten wirklich so sehr wichtig? Mir sind sie, aufrichtig gestanden, zu kurz, und daher scheint es mir übel gethan zu sein, die dauernde, wenn auch ruhige Zuneigung eines liebenswürdigen Vetters mit der bald verlöschenden Flamme eines nach Abwechselug strebenden Anbeters umzutauschen.«
»Du behauptest, daß ich veränderlich sei?«
»Nichts Anderes. Ich kenne Dich; ich kenne Euer bewegtes Leben am Hofe und fühle in mir nicht die geringste Begabung für das Interessante und Abenteuerliche. Ich werde Deine Ansprüche nie befriedigen können und trete das Glück, welches Du mir bietest, an eine Würdigere ab.«
»Ist dies Deine feste Entschließung, Paulowna?«
»Meine feste. Es wäre mir lieb gewesen, Du hättest sie errathen, als mich zur Mittheilung derselben zu veranlassen.«
Er antwortete nicht, aber aus seinem dunklen Auge zuckte ein Blitz auf sie hernieder, der ganz geeignet war, ihr Besorgniß einzuflößen, wenn sie ihn bemerkt hätte.
Ein Zeitlang noch schritten sie schweigend neben einander her; dann verabschiedete sich Paulowna, um die Mutter aufzusuchen, der Graf aber schritt dem hinteren Theile des Gartens zu, welcher von dichtem Gebüsch bestanden war. Kaum hatte er das Dickicht erreicht, so ertönte aus demselben der krächzende Ruf eines Kolkraben. Er klatschte leicht in die Hände, und sofort drängte sich zwischen den Zweigen ein junger, schmächtiger Mann hervor, aus dessen Zügen die verkörperte List und Verschlagenheit zu lesen war.
»Alles besorgt, Iwan?«
»Alles, Herr.«
»Den Brief geschrieben?«
»Ja.«
»Und abgegeben?«
»Auch.«
»In der neuen Livree?«
»Die mir ganz vortrefflich paßt,« nickte der Gefragte.
»Du verstehst Dich auf das Frisiren?«
»Ausgezeichnet.«
»Das Fräulein wird der Gräfin ähnlich sehen?«
»Vollständig.«
»Du hast alles Nöthige bei Dir?«
»Es fehlt nicht das Geringste.«
»Und Du kennst die Pforte, welche vom Garten direct in den Keller führt?«
»Die Nachschlüssel waren schon gestern fertig. Ich habe mir heut Nacht jeden Winkel des Hauses ganz genau betrachtet.«
»Gut, so geh an Deinen Posten. Für Eure Sicherheit werde ich die beste Sorge tragen. Du bist in Petersburg der Polizei entsprungen. Gelingt der Streich, erhältst Du von mir eine hinreichende Summe, im Auslande zu verschwinden; gelingt er aber nicht, so liefere ich Dich zurück und Du bist verloren.«
Es war Iwan Wessalowitsch, der berüchtigte Petersburger Gauner. Er verbeugte sich mit slavischer Demuth vor dem Günstling des Kaisers, bei dem er, der Verbrecher, Zuflucht gefunden hatte, und verschwand dann lautlos wieder im Gebüsch.
Der Graf kehrte langsam in das Wohnhaus zurück und ließ sich bei der Gräfin Mutter melden, um ihr seinen Morgengruß darzubringen. Sie empfing ihn mit jener conventionellen Freundlichkeit, welche man für entfernte Verwandte zu haben pflegt, ohne ihnen weitere Rechte einzuräumen. Er schien diese Zurückhaltung, welche die alte, solide Dame dem verschwenderischen Neffen gegenüber zeigen zu müssen glaubte, nicht zu bemerken und nahm an einem der Fenster Platz, um der Vorlesung, die er unterbrochen hatte, scheinbar aufmerksam zuzuhören.
Die Gesellschafterin der Gräfin, ein junges Mädchen von derjenigen Schönheit, welche einen meist nur vorübergehenden, aber desto glühenderen Eindruck zu machen pflegt, las mit wohlklingender, salbungsvoller Stimme aus einer prachtvoll gebundenen Heiligenlegende vor, die gewöhnliche Lectüre der Gräfin, und es erforderte einen so ausgezeichneten Menschenkenner, wie der Graf es war, um hinter den gläubig frommen, kindlich einfältigen Zügen des schönen Wesens Etwas zu vermuthen, was mehr auf den Genuß des irdischen Lebens als auf den Gewinn der einstigen Seligkeit gerichtet war.
»Bis hierher, meine gute Wanka,« meinte endlich bei einem Abschnitte die Gräfin. »Lege Dir das Zeichen ein, damit wir diese herrliche Geschichte morgen nicht verfehlen. Findest Du sie nicht auch außerordentlich tröstlich für die Leiden dieses Daseins? Der Herr ist allezeit bei uns mit seiner Hülfe und thut Großes über unser schwaches Verstehen, wenn wir ihn im rechten Glauben darum bitten.«
»So ist es, meine gnädige Gräfin,« antwortete das Mädchen mit einem unwiderstehlich innig reinen Aufschlage ihres seelenvollen Auges. »Der Herr erhalte Ihnen dies selige Gottvertrauen in der Einsamkeit, die meine schwache Kraft vergebens Ihnen zu erleichtern sucht!«
»Ich
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