Der Gitano. Abenteuererzählungen
danke Dir, mein liebes Kind! Leider hast Du Recht. Meine Tochter ist leider dem Wege des Heils entfremdet und nimmt nur ungern Theil an unsern religiösen Uebungen. Bis jetzt haben alle meine Gebete nichts gefruchtet, das verlorene Schäflein dem treuen Hirten wieder zu gewinnen, aber mit Deiner Hülfe wird es noch gelingen. Laß uns nur zusammenhalten in Bitten und Flehen, dann wird der Herr uns noch mit seiner Hülfe begnadigen. Jetzt aber ist es Zeit, zur Kirche zu fahren. Heut ist es an Dir, unsre täglichen Krankenbesuche zu machen.«
Mit einem gnädigen Neigen ihres Kopfes verließ sie das Zimmer. Mit einigen raschen, leisen Schritten stand der Graf vor der Gesellschafterin.
»Wanka, einen Kuß!«
Sie bot ihm lächelnd die vollen, rothen Lippen. Er zog sie fest an sich und küßte sie wiederholt.
»Du bist ein listiger Satan, Wanka! Hast Du noch Muth?«
Ihr Auge blitzte jetzt ganz anders, als es vorher geblickt hatte.
»Muth? Pah! Ist Alles vorbereitet?«
»Alles.«
»Und mein Antheil?«
»Wird Dir noch heut ausgezahlt.«
»Dann vorwärts! Ich habe für die Alte den Wagen zu bestellen; ich für mein Theil aber verzichte auf einen solchen. Demuth erhöht die Werke der Liebe.«
Es war ein höhnisches und zugleich schadenfrohes Lachen, welches ihre schönen Züge entstellte.
»So geh. Ich werde die Dienerschaft beschäftigen, bis der Coup gelungen ist.«
Wanka ging in ihr Zimmer, zog sich zum Ausgehen an und verließ in demselben Augenblicke das Haus, an welchem die Gräfin in den Wagen stieg. Einige Zeit lang die Straße verfolgend, bog sie sodann in ein schmales Seitengäßchen ein, welches hinter den Gärten dahinführte. Bald gelangte sie an ein kleines Pförtchen, welches sie passierte und hinter sich verschloß. Sie befand sich im Garten des gräflichen Hauses.
»Wanka!« flüsterte es neben ihr im Busche.
»Iwan!«
Er trat hervor, faßte sie bei der Hand und zog sie, immer gedeckt von den Zweigen, fort bis an die Kellerthür. Er öffnete diese mit dem Nachschlüssel und zog sie durch Keller, Flur und über die Treppe, bis wieder in ihr Zimmer zurück, welches sie unbemerkt erreichten. Hier öffnete er das Paquet, welches er unter dem Arme mitgebracht hatte. Es enthielt eine Perrücke, Locken, eine falsche Nase und verschiedene Büchsen und Schächtelchen.
»Schnell, setze Dich. Wir haben nur noch zehn Minuten Frist.«
Sie nahm auf einem Stuhle Platz, und unter seinen kunstfertigen Händen hatte sie sich bald in eine alte Dame verwandelt, welche bei einigermaßen schwacher Beleuchtung recht gut für die Gräfin gehalten werden konnte.
»Nun das Kleid.«
Sie eilten in das Boudoir der Gräfin. Wanka legte ein seidenes Kleid derselben an und Iwan warf sich in eine Livree, welche sein Packet noch enthalten hatte. Dann stellte er sich an das Fenster, um durch die feinen Gardinen die Straße zu beobachten.
»Bisher ging Alles ganz vortrefflich,« meinte das Mädchen. »Die Hauptsache ist, daß der Graf die Domestiken beschäftigt.«
»Trage um ihn nur keine Sorge. Es ist ja in seinem eigenen Interesse, daß er sein Möglichstes thut.«
»Und das gnädige Fräulein? Wenn sie uns überrascht!«
»Auch daran habe ich gedacht; aber sie ist unschädlich. Der Deutsche ist bei ihr.«
»Wirklich?«
»Ich sah ihn kommen.«
»Dann werden sie so in die Zärtlichkeiten vertieft sein, daß sie für nichts mehr Augen und Ohren besitzen. Aber schau, da kommt der Juwelier. Rasch an die Thür, Iwan, daß er nicht klingelt!«
Leise, kaum hörbare Schritte ließen sich einige Augenblicke später auf dem mit einem dicken Teppiche belegten Vorsaale bemerken. Der Diener trat in das Vorzimmer, hinter ihm ein Herr, welcher einen kleinen Miniaturkoffer trug.
»Ich werde Sie sofort anmelden!« meinte der Erstere, indem er im Sprechzimmer verschwand.
Als er zurückkehrte, winkte er dem Juwelier zum Eintreten. Dieser sah sich der Gräfin gegenüber. Mit einer tiefen Verbeugung trat er auf sie zu.
»Gnädige Frau hatten heut die Güte, durch Dero Diener mir ein Billet zu handen zu stellen, in welchem – –«
»In welchem ich Sie ersuchte,« fiel sie ihm strafend, daß er die Unterredung begonnen habe, in das Wort, »mir Einiges von Ihren Vorräthen zur Ansicht zu bringen. Ich bin nämlich in der Lage, Ihnen mittheilen zu können, daß meine Tochter sich in nächster Zeit verheirathen wird, eine dringende Veranlassung für mich, Ihre kunstfertige Hand in Anspruch zu nehmen. Leider verhinderte mich ein kleines
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