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Der Gitano. Abenteuererzählungen

Der Gitano. Abenteuererzählungen

Titel: Der Gitano. Abenteuererzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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dorthin!«
    »So geht! Ich finde meine Weg allein.«
    »Das wissen wir. Aber wir Beide könnten Deinen Weg nicht finden, darum bleiben wir bei Dir. Komm, Brüderchen, komm!«
    Iwan warf einen raschen Blick vorwärts und zur Seite und griff dann blitzschnell in die Brusttasche. Ein Schuß krachte – die Ladung ging fehl, denn ein kräftiger Arm hatte von hinten den seinen gepackt, und zu gleicher Zeit fühlte er sich von allen Seiten so fest umschlungen, daß ihm nicht die geringste Bewegung möglich war. Der Baron und Feodor waren unbemerkt herangetreten und hatten im entscheidenden Momente Hülfe gebracht. Der Schuß hatte eine Menge Menschen herbeigelockt. Der Gefangene wurde gefesselt und nach dem Polizeihause abgeführt. Von Felsen begab sich mit seinem Diener ebenfalls dorthin. – – –Die Kirche war aus. Die Gräfin von Smirnoff kehrte in ihre Wohnung zurück. Die Dienerschaft eilte herbei, um die Gnädige aus dem Wagen zu heben und in ihre Gemächer zu geleiten. Der Hausmeister schritt voran, um die Thüren zu öffnen.
    »Ich danke!« wandte sie sich, im Salon angekommen, wie gewöhnlich an die Leute zurück, um sie zu verabschieden. Dann trat sie in ihr Boudoir. In demselben Augenblicke aber vernahmen die sich zurückziehenden Leute einen lauten Schrei des Erschreckens und stürzten sofort wieder herbei.
    Die Gräfin hielt schaudernd die Hände vor das Gesicht: Auf dem Teppich lag ein Mann mit blutendem Kopfe, und in dem Raume herrschte eine Unordnung, welche bewies, daß er der Schauplatz irgend eines ungewöhnlichen Ereignisses gewesen sei.
    »Wer ist der Mensch – was hat er hier gewollt – wie ist er hereingekommen?« frug die vor Entsetzen zitternde Herrin.
    Niemand wußte es, Niemand vermochte, Auskunft zu ertheilen. Der ganzen Gesellschaft hatte sich eine Verwirrung bemächtigt, welche nur durch den raschen Eintritt des Grafen, welchem die Tochter des Hauses folgte, um Etwas gemildert wurde.
    »Was geht hier vor – was hat der Lärm zu bedeuten?« frug er.
    Die Gräfin zeigte lautlos auf den betäubt daliegenden Mann.
    Der Graf wandte sich an den Hausmeister, welcher ihm die nöthige Auskunft ertheilte.
    »Entsetzlich! Hier ist irgend eine That verübt, über welche nur dieser Mann Bericht zu erstatten vermag.«
    Er bog sich zu ihm nieder, um ihn zu untersuchen.
    »Er lebt. Halt, Wasser, Essig, Essenzen herbei! Man muß ihn zur Besinnung bringen, damit er Aufklärung ertheilt.«
    »Mama, ich kenne ihn!« rief Paulowna, welche schaudernd näher getreten war. »Es ist der Geschäftsführer des Juwelier Obrenowicz.«
    »Der – mein Gott, das ist kein Dieb, kein Räuber. Was ist hier vorgegangen?!«
    Niemand vermochte zu antworten. Sämmtliche Diener waren auf kurze Zeit bei dem Grafen beschäftigt gewesen welcher nachher die junge Comtesse besucht hatte; aber Keiner konnte eine Auskunft auf die ausgesprochene Frage ertheilen.
    Endlich schlug der Verwundete unter den sorgfältigen Belebungsversuchen die Augen auf, welche erst ausdruckslos im Zimmer umherstierten und dann nach und nach Leben und Besinnung gewannen.
    »Die Gräfin – wo ist sie – – wo sind meine Juwelen?« frug er langsam und mit halblauter Stimme.
    Seine Worte waren Allen ein Räthsel, bis er sich weiter erklärte, wobei sich dann herausstellte, daß er das Opfer eines raffinirten Betruges geworden sei.
    Jetzt trat die Gesellschafterin ein, welche von ihren Krankenbesuchen zurückkehrte. Die Gräfin eilte sogleich auf sie zu.
    »Denke Dir, meine gute Wanka, was während unserer Abwesenheit hier geschehen ist! Eine verwegene Gaunerin hat sich hier eingeschlichen und an meiner Stelle diesen Herrn empfangen, um ihm Juwelen im Werthe von fast einer Million Rubel zu entwenden!«
    »Unmöglich!« rief die Angeredete, vor Schreck und Erstaunen die Hände faltend. »Wie könnte der Böse dies fromme Haus zu eine so entsetzlichen That ausersehen!«

    »Mein Kind, er geht umher wie ein brüllender Löwe und hat sich selbst durch unsere Gebete nicht abschrecken lassen. Aber der Herr wird die Missethat heimsuchen und unsre schwachen Augen öffnen, damit wir die Thäter finden und entdecken. Man durchsuche das ganze Haus!«
    »Halt!« ertönte es da unter der Thür. »Man bleibe, damit keine Spur verwischt werde!«
    Es war der Baron von Felsen, welcher eintrat. Ohne den Grafen eines Blickes zu würdigen, schritt er auf die Gräfin zu.
    »Was ist geschehen, gnädige Frau?«
    »Willkommen, Herr Baron! Sie sind Diplomat, und Ihr Schafsinn

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